Nicht mehr lang, dann startet die Vierschanzentournee 2015/16. In Oberstdorf findet am 29. Dezember das erste von 4 Springen statt. Mit Severin Freund gehört auch ein Deutscher zu den Favoriten auf den Gesamtsieg. Doch welche Faktoren sind ausschlaggebend für einen Sieg? Das Alter? Die Weltcup-Platzierung? Oder vielleicht doch die Sprung-Erfahrung? Auf der Suche nach der perfekten Formel blicken wir auf die letzten 18 Jahre zurück.
Bundestrainer Werner Schuster gab am Montag das 13-köpfige Aufgebot des DSV für die 64. Vierschanzentournee bekannt. Angeführt wird das Team von Gesamtweltcup-Sieger und Weltmeister Severin Freund. Dem 2. des aktuellen Weltcup-Rankings räumen die Bookies gute Chancen auf den Tournee-Gesamtsieg ein. Einzig der im Weltcup vor ihm platzierte Slowene Peter Prevc wird höher eingestuft. Das sieht auch der DSV-Bundestrainer so: „Er ist sicher der Top-Favorit oder zumindest einer der Top-Favoriten. Er ist in der Blüte seiner Jahre, ein toller Springer.“
Das Alter
Mit dem Alter hat Schuster Recht. Prevc ist 23 Jahre jung und damit im besten Alter, um den Gesamtsieg zu holen. Im Durchschnitt waren die Tournee-Sieger in den letzten 18 Jahren 23,5 Jahre alt, wenn sie das erste Mal den prestigeträchtigen Wettbewerb gewannen. Der Slowene passt damit genau ins Muster. Der jüngste Sieger der Vergangenheit war im Vorjahr der Österreicher Stefan Kraft. Mit 21 Jahren und 238 Tagen war er jünger als Thomas Diethart (2013/14), Gregor Schlierenzauer (2011/12) und Janne Ahonen (1998/99), die ebenfalls im gleichen Alter die Tournee gewannen. Der älteste Sieger der vergangenen 18 Jahre war Wolfgang Loitzl 2008/09. Der Österreicher lag mit seinen 28 Jahren weit über den Durchschnitt. Das macht allerdings Severin Freund Hoffnung, der mit seinen 27 Jahren somit nicht komplett aus dem Raster fällt.

Die Weltcup-Jahre vor dem Gesamtsieg
In fast jeder Sportart ist die Erfahrung ein Vorteil. Diese muss man sich über einen langen Zeitraum aneignen. Bei der Vierschanzentournee fällt sie allerdings nicht so schwer ins Gewicht, wie viele vielleicht glauben mögen. Anders Jacobsen gewann 2006/07 die Tournee bereits in seiner Debüt-Saison. Das gelang sonst keinem. Doch auch die Gesamtsieger der vergangenen beiden Jahre, Stefan Kraft und Thomas Diethart, waren bei ihren Erfolgen noch recht grün hinter den Ohren. Beide absolvierten vorab gerade einmal 2 Jahre im Weltcup. Im Durchschnitt besaßen die Sieger 5,8 Jahre Weltcup-Erfahrung, bevor ihnen der große Triumph auf der Tournee gelang. Wie schon beim Alter schraubt Wolfgang Loitzl auch diese Statistik in die Höhe. Er hatte bei seinem Gesamtsieg das Wissen und die Erfahrung von 12 Weltcup-Jahren auf seinem Buckel.
Weltcup-Siege vor der Tournee
Braucht man das spezielle Sieger-Gen, um die Vierschanzentournee zu gewinnen? Nein! Das untermauern vor allem die beiden letzten Jahre. Sowohl Stefan Kraft als auch Thomas Diethart gewannen vor ihren jeweiligen Tournee-Siegen kein einziges Weltcup-Springen.Diethart holte 2013/14 2 Siege bei der Tournee. Weder davor, noch danach stand er jemals wieder ganz oben auf dem Treppchen.Auch Loitzl erging es so. Seine 4 Karriere-Siege feierte er alle im Januar 2009 binnen 16 Tagen, 3 davon bei der Vierschanzentournee. Im Schnitt gewannen die Tournee-Sieger der letzten 18 Jahre 7 Weltcup-Springen, bevor sie sich krönten.Gregor Schlierenzauer (36 Weltcup-Siege) und Thomas Morgenstern (18) dagegen waren auch vor ihren Tournee-Triumphen bereits ans Siegen gewöhnt.
Saisonsiege vor der Tournee
Jeder Sportler weiß wie es ist, wenn man einen Lauf hat. Es gibt Zeiten, da gelingt einem einfach alles und man feiert einen Erfolg nach dem anderen. Es läuft einfach. Die letzten 18 Jahre zeigen allerdings, dass es für die Tournee überhaupt nicht von Relevanz ist, ob ein Springer bereits in den 5 Weltcup-Springen vor dem Tournee-Auftakt zu seiner Form gefunden hat. Einzig Jakub Janda (2005/06) und Thomas Morgenstern (2010/11) hatten schon vor ihren jeweiligen Tournee-Siegen einen Lauf und gewannen 4 der vorherigen Springen. Kraft (2014/15), Diethart (2013/14), Loitzl (2008/09) und Adam Malysz (2000/01) feierten ihren ersten Sieg der Saison erst auf der Vierschanzentournee. Sie riefen ihre Leistung pünktlich zum Saisonhöhepunkt ab. Im Schnitt gewannen die späteren Sieger in der Saison vorab 1,4 Springen. Peter Prevc (3 Siege) und Severin Freund (2) liegen in dieser Saison mit ihren Leistungen über den Durchschnitt.
Berücksichtigen wir diese 4 Faktoren, müssen wir feststellen: Es gibt keine perfekte Formel für einen Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Die letzten 18 Jahre haben gezeigt, dass Alter, Erfahrung und die vorherige Form nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Vierschanzentournee, der Höhepunkt der Saison, ist ein eigener Wettbewerb, der nur sehr schwer vorauszusagen ist. Auch deshalb wäre es nicht verwunderlich, wenn weder Prevc noch Freund am Ende den Gesamtsieg feiern können.
Erfolgreich, aber nicht auf der Tour
• Toni Innauer (1974-1980)
Gewann 1975/76 3 von 4 Springen und war Olympiasieger und Weltmeister.
• Martin Höllwarth (1991-2008)
Holte 4 Olympia-Medaillen, war 3-facher Weltmeister und feierte 8 Weltcup-Siege.
• Martin Schmitt (1997-2014)
Er wurde Olympiasieger, war 4-facher Weltmeister, holte den Gesamt-Weltcup und gewann 28 Weltcup-Springen.
• Noriaki Kasai (1988 – noch aktiv)
Der Japaner ist seit 27 Jahren aktiv und mit Abstand der älteste Springer im Feld (43 Jahre alt). Er hat theoretisch noch die Chance, seine Karriere mit einem Tournee-Gesamtsieg zu krönen. Dieser würde seine Laufbahn mit 3 Olympia-Medaillen, 7 WM-Medaillen und 17 Weltcup-Siegen abrunden.
• Simon Ammann (1997 – noch aktiv)
Er ist 4-facher Olympiasieger, Weltmeister und Gesamt-Weltcup-Sieger. 23 Weltcup-Siege holte er bisher. Der Tournee-Sieg fehlt ihm noch.

Legenden-Fakten der Tour
Unerreicht ist bis heute die Leistung von Sven Hannawald. Der letzte deutsche Gesamtsieger gewann 2001/02 alle 4 Springen der Vierschanzentournee. Weder vor noch nach ihm gelang dieses Kunststück irgendeinem anderen Springer. Hannawald siegte in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen und ist damit eine Legende der Tournee.
Dazu zählt auch Janne Ahonen. Der 38-Jährige, der nach seinem 2. Comeback in der Vorsaison nicht für die Tournee-Kader der Finnen nominiert wurde, ist mit 5 Gesamtsiegen der erfolgreichste Springer in der Geschichte der Vierschanzentournee. Er gilt als einer der besten Athleten seiner Generation und gewann die Tournee 1998/99, 2002/03, 2004/05, 2005/06 und 2007/08. Durch seinen letzten Triumph ist er gleichzeitig mit 30 Jahren der älteste Springer, der sich den Gesamtsieg in den vergangenen 18 Jahren sichern konnte.