Spannungsabfall beim Titelverteidiger
Als die Darts WM vor 10 Jahren aus Purfleet nach London umzog, schüttete die PDC noch Prämien in Höhe von 600.000 £ aus. Dass der künftige Weltmeister nun umgerechnet über 670.000 € alleine mit nach Hause nimmt, daran hat Darts-Rentner Phil Taylor (16 WM-Titel) einen entscheidenden Anteil. Sein Abtritt von der Bühne im Ally Pally, dem oft besungen „Taylor-Wonderland“, hinterließ eine Lücke, die sein letztjähriger Bezwinger und Landsmann Rob Cross alleine nicht füllen kann.
Nach der 7:2-Galavorstellung im Endspiel gegen Taylor hat beim Newcomer, vor 2 Jahren noch hauptberuflicher Elektriker (Spitzname „The Voltage“), irgendwer den Stecker gezogen. Bei den 9 Major-Turnieren blieb Cross mit einer Halbfinal-Teilnahme hinter den Erwartungen. Und niemand weiß, wann und ob der Saft bis zum Beginn der Darts WM 2019 am 13. Dezember wiederkommt. Unsere Buchmacher ordnen den 28-Jährigen im Quoten-Ranking nur an 5. Stelle ein – deutlich hinter Michael van Gerwen und Gary Anderson.
Anderson vs. MVG schon vor dem Finale möglich
Beide verbuchten im Jahr 2018 jeweils 3 große Turniersiege für sich. Die Performance in der 2. Jahreshälfte spricht leicht für den Doppelweltmeister von 2015/2016, der erstmals den Pokal bei den UK Open sowie beim prestigeträchtigen World Matchplay abräumen konnte. Da die beiden Favoriten bei der Auslosung jeweils in der oberen Hälfte des Turnierbaums landeten, könnte es bereits im WM-Halbfinale (30. Dezember) zum Aufeinandertreffen kommen.
Der Niederländer führt im nunmehr 5. Jahr in Folge die so genannte „Order of Merit“ (Weltrangliste) an. Nicht zuletzt durch den Hattrick bei der Darts Premier League. Freilich wäre es „Mighty Mike“ entgegen gekommen, wenn die PDC im Revolutionswahn noch den Satz-Modus umgekrempelt hätte. Dieser raubt dem Power-Scorer (106,32 Turnier-Average während der WM 2017) seine größte Stärke. Ihm liegt als Ausnahmekönner der Leg-Modus (z.B. Best-of-11) mehr.
Viel gibt es nicht, woran sich die deutsche Nummer 1 Max Hopp ansonsten klammern könnte. Bei einem Weiterkommen trifft der gesetzte „Maximiser“ aller Voraussicht nach direkt auf den Top-Favoriten der Darts WM 2019. Der Rest des deutschen Quartetts (siehe Grafik) erwischte durchaus lösbare Aufgaben. Insbesondere Martin Schindler, genannt „The Wall“, machte nach seinem Erstrunden-Aus (1:3 gegen Simon Whitlock) einen großen Schritt nach vorne und hält inzwischen den deutschen Average-Rekord. Die bwin Bookies sehen den Berliner in dieser Form gegen Cody Harris klar vorne – Quote 1.53!
Überraschungskandidaten und ein Bad Boy im Ally Pally
In der unteren Hälfte geht der Österreicher Mensur Suljovic zunächst anderen Top 10-Spielern aus dem Weg. Will er zum ersten Mal über das Achtelfinale hinaus kommen, müsste er wohl Kaliber wie Michael Smith eliminieren. Im letzten Duell während der Darts Premier League im Februar machte der Schützling von Gary Anderson (7:2) kurzen Prozess mit dem Wiener. Trotz der Dominanz, die ein Michael van Gerwen seit seinem ersten WM-Titel 2014 ausstrahlt, lässt sich sagen, dass die Weltspitze an Breite gewonnen hat.
Den Vormarsch des Walisers Jamie Lewis ins Halbfinale sah niemand so recht kommen. Wiederholt er diesen Erfolg bei der Darts WM 2019? Im vergrößerten Teilnehmerfeld haben wir noch 3 weitere Spieler mit ähnlichem großem Überraschungspotenzial ausgemacht. Der 2-malige Junioren-Weltmeister Dimitri van den Bergh war im Vorjahr knapp am späteren Titelträger Rob Cross (4:5) gescheitert – trotz besserem 3 Dart-Average!
Jeffrey de Zwaan hinterließ vor seiner 2. WM-Teilnahme eine bleibende Duftmarke beim World Matchplay (Halbfinale). Und dann wäre da noch der Mann zu nennen, der den Trash Talk auf die Darts-Bühnen gebracht hat: Gerwyn Price! Der frühere Rugby-Profi gefällt sich in der Rolle des streitbaren Bad Boys, der „den Darts-Profis das Geld aus der Tasche klaut“. Seine Provokation trieben Gary Anderson im Finale des bwin Grand Slam of Darts (16:13 nach 8:11-Leg-Rückstand) zur Weißglut – auch eine Art der Revolution!