Für Paukenschläge sorgt RB Leipzig in dieser Saison wie kein anderer Bundesligist. Der Emporkömmling strukturiert seinen Nachwuchsbereich grundlegend um. Die Abmeldung der U23-Mannschaft zur kommenden Saison stößt mal wieder eine altbekannte Diskussion im deutschen Profi-Fußball an: Der Sinn und Zweck sowie die Nachhaltigkeit bei diesen Nachwuchsteams.
Es war eine weitreichende Entscheidung, die bei der DFL-Tagung im März 2014 beschlossen wurde: Seit dem 1. Juli 2014 ist eine U23-Mannschaft für die 36 Erst- und Zweitligisten keine Pflicht mehr. Von den aktuellen Bundesliga-Klubs folgten Eintracht Frankfurt und Darmstadt 98 dem Weg des „Pioniers“ Bayer Leverkusen.
Nun zieht ausgerechnet mit RB Leipzig ein weiteres Spitzenteam nach, das sich auch in Zukunft vor allem durch junge Spieler und herausragende Nachwuchsarbeit definieren will. Selbst Lokalnachbar Lok Leipzig zeigt sich davon überrascht (siehe Tweet unten).
Upamecano steht für neuen RB-Weg
RB-Sportdirektor Ralf Rangnick saß bei fast allen Heimspielen der Leipziger Reserve in dieser Saison auf der Tribüne. Lieber heute als morgen wollte er die U23, die in der Regionalliga Nordost als Aufsteiger immerhin Tabellenplatz 4 belegt, in der 3. Liga sehen und in der höchstmöglichen Spielklasse etablieren. Was führt nun zum plötzlichen Umdenken?
„Der Aufwand steht nicht mehr im Verhältnis zum Ertrag. Diese Entscheidung ist eine Aufwertung der U19 und U17. Wir benötigen absolute Ausnahmetalente, die den Sprung in den Profi-Kader schaffen sollen. Wir glauben, dass das über den direkten Weg nach oben auch möglich ist“, erklärt Rangnick, der einigen Spieler aus dem aktuellen U23-Kader Hoffnung auf einen Verbleib macht.
John-Patrick Strauß und Kamil Wojtkowski, die zuletzt beim 0:1 in Dortmund bereits auf der Bank gesessen hatten, besitzen wohl die besten Karten. Das neue Nachwuchskonzept beruht aber vermehrt darauf, Talente im Alter von 15 bis 16 Jahren nach Leipzig zu holen. Diesen Weg ging auch Dayot Upamecano (18), der als 16-Jähriger zu RB Salzburg gekommen und in der Winterpause zu den Sachsen gewechselt war.
Jürgen Klopps Warnung mit Weitblick
Auch wenn die Gründe von Ralf Rangnick für den Strategiewechsel plausibel klingen, ist die Entscheidung gegen eine U23 als gefährliches Signal für das große Ganze zu werten. Die Kostenfrage stellt sich beim üppigen Etat der „Roten Bullen“ ohnehin nicht. Es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass durch RB Leipzig nun andere ambitionierte Bundesligaklubs noch mal ihren Unterbau gewaltig auf den Prüfstand stellen.
Schon 2014 befürchtete der damalige BVB- und heutige Liverpool-Trainer Jürgen Klopp mittelfristig eine Massenabmeldung und warnte vor den Folgen:
„Eine enorm große Spielerzahl würde nicht in der Bundesliga oder Nationalmannschaft spielen, wenn es die Institution Amateurmannschaften nicht gebe.“
Beim FC Bayern waren mit Mats Hummels, Philipp Lahm oder Thomas Müller einige Weltmeister durch die U 23-Schule von Hermann Gerland gegangen. Auch andere Nationalspieler wie Erik Durm (Borussia Dortmund) oder Christopher Kramer (Borussia Mönchengladbach) benötigten den Zwischenschritt.
Die so genannten „Spätzünder“ möchte Leipzig an andere Klubs verleihen und ihnen so die nötige Spielpraxis geben. Doch auch die immer größer werdende Zahl von Ausleihen im Profifußball steht zunehmend in der Kritik und kann nicht der Weisheit letzter Schluss für Talententwicklung sein. Der FC Chelsea lässt als wohl größte Leiharbeitsfirma der englischen Premier League grüßen.
RBL streicht aus finanziellen Gründen seine U23? Da fällt uns bei Lok vor Schreck glatt der Kaviar in den Jacuzzi. https://t.co/5i4Eu1vICW
— 1. FC Lok Leipzig (@1fclokleipzig) 8. Februar 2017