Bei seiner Premiere im Profifußball zündete Domenico Tedesco für Erzgebirge Aue zumindest das Licht im dunklen Tabellenkeller der 2. Bundesliga wieder an. Viel mehr als ein 1:0-Arbeitssieg gegen den direkten Abstiegskonkurrenten Karlsruher SC war bei nur 2 Tagen Vorbereitungszeit aber auch noch nicht zu erwarten – auch für einen Hochbegabten der neuen Trainer-Generation.
In seinen ersten Wochen in Aue muss Domenico Tedesco gegen allerhand Vorurteile ankämpfen. Ein 31-Jähriger als Retter im Abstiegskampf. Keine nennenswerte Erfahrung als Fußball-Profi. Für solche Fälle hat Bayern-Legende Mehmet Scholl bekanntlich ein ganz eigenes Wort kreiert. Als „Laptop-Trainer“ kanzelte der TV-Experte einst die Tuchels und Nagelsmänner der Bundesliga ab und hatte damit eine abfällige Diskussion angestoßen.
Dabei nimmt der DFB in Europa eine Art Vorreiterrolle in der Trainerausbildung ein. Neustes Beispiel ist Tedesco. Der Nachfolger des zurückgetretenen Pavel Dotchev im Erzgebirge gilt als eines dieser ganz großen Talente, schloss die Ausbildung zum Fußball-Lehrer im letzten Jahr sogar besser als sein Cheftrainer Julian Nagelsmann ab. Statt einem jungen und ehrgeizigen Coach hatten viele Auer Fans allerdings einen erfahrenen Feuerwehrmann erwartet, der den selbsternannten Bergarbeiter-Klub zum Klassenerhalt führt.
Beste Note ist nicht gleich bester Trainer
„Laptop-Trainer? Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Wir stellen die Stärken der Spieler in den Vordergrund“, kündigte der von 1899 Hoffenheim gekommene Domenico Tedesco bereits bei seiner Vorstellung am Mittwoch an. Erfahrung als Coach besitzt er trotz seines jungen Alters mehr als so mancher Experte denkt.
Während seines Studiums (Bachelor im Wirtschaftsingenieurwesen und Master im Innovationsmanagement) begann Tedesco seine Trainerkarriere, reifte in der Nachwuchsakademie des VfB Stuttgart an der Seite von Thomas Schneider, dem jetzigen Assistenten von Joachim Löw bei der Nationalmannschaft. Nach seinem Wechsel in die Hoffenheimer Talentschmiede 2015 ging der Deutsch-Italiener einen ähnlichen Weg wie der noch 3 Jahre jüngere Julian Nagelsmann.
Doch wie viel sagt die Abschlussnote letztlich über Potenzial und Qualität eines Trainers aus? In den letzten Jahren meisterten viele aus der jungen Generation die Umsetzung von der Theorie in die Praxis. Für die Musterschüler, die von DFB-Chefausbilder Frank Wormuth das Prädikat besonders talentiert verpasst bekamen, ist es aber nicht umbedingt ein vorteilhaftes Los. In der laufenden Bundesliga-Saison verloren mit André Schubert (Borussia Mönchengladbach) und Dirk Schuster (FC Augsburg) gleich 2 Jahrgangsbeste ihre Jobs.
Die Jahrgangsbesten der letzten 10 Jahren:
2015: Florian Kohfeldt – aktuell U 23-Trainer bei Werder Bremen (Punkteschnitt: 1,53)
2014: Achim Beierlorzer – aktuell U 19-Trainer RB Leipzig (zuvor Co- und Interimstrainer der Profis)
2013: Frank Kramer – aktuell U 19-Trainer beim DFB (zuvor Fortuna Düsseldorf/Punkteschnitt: 0,94)
2012: Alexander Zorniger – aktuell Bröndby IF (zuvor VfB Stuttgart/Punkteschnitt: 1,07)
2011: Jan-Moritz Lichte – aktuell Nachwuchsleiter Hannover 96 (zuvor Co-Trainer bei Bayer 04 Leverkusen, FC St. Pauli und SC Paderborn)
2010: Mario Himsl – aktuell Nachwuchsleiter Kirchheimer SC (zuvor Co- und Jugendtrainer bei Arminia Bielefeld und Greuther Fürth)
2009: Holger Stanislawski – bis Juni 2013 beim 1. FC Köln (Punkteschnitt: 1,62)
2008: Dirk Schuster – bis Dezember 2016 beim FC Augsburg (Punkteschnitt: 1,06)
2007: Karsten Baumann – bis Dezember 2015 bei Hansa Rostock (Punkteschnitt: 1,33)