Neben Bayer Leverkusen ist der FC St. Pauli die einzige noch ungeschlagene Mannschaft in einer der ersten drei Ligen Deutschlands. Mit einem Sieg am Sonntag gegen Aufsteiger Wehen Wiesbaden feiern die Kiezkicker die Herbstmeisterschaft der 2. Bundesliga. Doch der große Favorit auf den Aufstieg in die Bundesliga sind sie schon lange. Warum, das weiß unsere Analyse:
Der Aufschrei war groß, als der FC St. Pauli an Nikolaus 2022 Trainer Timo Schultz entließ. Die Vereinslegende führte die Kiezkicker im Jahr zuvor noch fast zum Bundesligaaufstieg. Doch in der Saison 2022/23 war das Spielglück selten auf Seiten des Ostfriesen und mit gerade einmal drei Siegen aus 17 Spielen stand man nur einen Punkt vor dem Tabellenletzten Sandhausen. Die Entlassung war das eine, doch dass die sportliche Leitung mit Schultz‘ Co Fabian Hürzeler einen völlig unerfahrenen Trainer verpflichtetete, der vorher nur Spielertrainer beim FC Pipinsried war, konnte kaum ein Fan verstehen.
FC St. Pauli: Top trotz namhafter Abgänge
Doch diese Zweifel waren schnell verflogen, denn der Sohn eines Schweizer und einer Deutschen, der in Houston in Texas geboren wurde, gewann die ersten 10 Spiele als Cheftrainer des FC St. Pauli. Er führte den Klub nicht nur aus der Abstiegszone, sondern griff auch noch in den Aufstiegskampf mit ein. Doch am Ende ging dem Team etwas die Luft aus. Aber auch die Sommerpause konnte das Team nicht stoppen und auch nicht die Abgänge der Leistungsträger Lukas Daschner (VfL Bochum), Jakov Medic (Ajax) und Kapitän Leart Paqarada (1. FC Köln).
Defensive und Abgeklärtheit als Trumpf
Der Start verlief mit einem Sieg und vier Unentschieden noch etwas schleppend, doch es folgten 7 Siege und 4 Unentschieden und damit verbunden die Tabellenführung. Der verhasste Stadtrivale vom HSV liegt auf Platz 3 bereits 4 Zähler zurück in Liga 2 (alle Wetten zur 2. Bundesliga). Das große Prunkstück der Kiezkicker ist die Abwehr. Erst 14 Tore musste das Hürzeler-Team in 16 Begegnungen hinnehmen. Die zweite große Stärke ist die Abgeklärtheit. Auch wenn es lange zu null steht, rennt das Team nicht kopflos an, sondern verfolgt weiter konsequent den Matchplan des erst 30-jährigen Trainers, bis sich irgendwann die Chance zum Tor bietet. In Verbindung mit der stabilen Defensive reicht dann oft schon ein Treffer zum Sieg.
Immer nur entweder oder: Gute Hinrunde ODER gute Rückrunde
Nach den Leistungen der Hinrunde ist St. Pauli der große Favorit auf den Aufstieg. Kein Team der 2. Liga ist auch nur annähernd so konstant wie die ‚Boys in brown‘. Einzig der Kopf könnte das Team noch stoppen. Denn seit Jahren gelingt es den Norddeutschen nie, endlich mal zwei (!) gute Halbserien ein einem Jahr zu spielen. Es ist fast schon grotesk, dass seit Jahren (siehe Auflistung) immer nur entweder die Hin- ODER die Rückrunde gut ist. Eine gute Saison über 34 Spieltage sucht man beim FC St. Pauli lange. Es wäre mal wieder Zeit. Und würde mit dem Aufstieg belohnt…
So verliefen die letzten Jahre des FC St. Pauli:
Saison 2023/24: Hinrunde (nach 16 Spielen) 32 Punkte, Platz 1
Saison 2022/23: Hinrunde 17 Punkte, Platz 15; Rückrunde 41 Punkte, Platz 1
Saison 2021/22: Hinrunde 36 Punkte, Platz 1; Rückrunde 21 Punkte, Platz 13
Saison 2020/21: Hinrunde 16 Punkte, Platz 15; Rückrunde 31 Punkte, Platz 4
Saison 2019/20: Hinrunde 18 Punkte, Platz 15; Rückrunde 21 Punkte, Platz 11
Saison 2018/19: Hinrunde 31 Punkte, Platz 14; Rückrunde 18 Punkte, Platz 17
Saison 2017/18: Hinrunde 21 Punkte, Platz 15; Rückrunde 22 Punkte, Platz 11
Saison 2016/17: Hinrunde 11 Punkte, Platz 18; Rückrunde 34 Punkte, Platz 3
Saison 2015/16: Hinrunde 29 Punkte, Platz 3; Rückrunde 24 Punkte, Platz 7
Saison 2014/15: Hinrunde 13 Punkte, Platz 18; Rückrunde 24 Punkte, Platz 6
Saison 2013/14: Hinrunde 28 Punkte, Platz 4; Rückrunde 20 Punkte, Platz 13