Die Schiedsrichter in der Bundesliga standen, ob ihrer zweifelhaften Entscheidungen, in den letzten Wochen vermehrt in der Kritik. Der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichterkommission Herbert Fandel führte öffentlich eine Diskussion über den Videobeweis. Auch in England stehen die Referees oft im Fokus. Einer der besten Männer an der Pfeife auf der Insel war Graham Poll, der seine internationale Karriere nach einer Fehlentscheidung bei der WM 2006 beendete und 2007 komplett aufhörte. Er gibt im exklusiven news.bwin-Interview interessante Einblicke.
Wenn ein Jose Mourinho heiß läuft oder ein Diego Costa jede Woche darum bettelt vom Platz gestellt zu werden, dann fragt man sich schon was einen dazu bringt Schiedsrichter zu werden. Der englische Referee Graham Poll ist mittlerweile im Ruhestand und hat seine ganz eigene Sicht auf die Dinge. Nicht nur in Deutschland wurde Poll berühmt als er bei der WM 2006 im Spiel Kroatien gegen Australien dem Kroaten Josip Simunic erst nach der 3. Gelben Karte des Feldes verwies. Nach diesem Vorfall erntete Poll heftige Kritik, unter anderem von FIFA-Chef Sepp Blatter, so dass sich der Engländer entschied, seine internationale Karriere zu beenden.
Poll über Mourinho und seine Strafe
„Auf die Theatralik eines Jose Mourinho könnte ein Zweijähriger vielleicht stolz sein. Ich glaube, dass die Strafe gegen ihn (ein Spiel Sperre und £ 50.000 Geldstrafe) eine harte Strafe ist, aber bei ihm keine nachhaltige Wirkung zeigen wird.“
„Ich würde einen aktiveren Ansatz favorisieren. Letztendlich wird die Strafe vollzogen ohne dass garantiert ist, dass im Anschluss genau das Gleiche nochmal passiert. Ich bin mir nicht sicher, wie dieser aktivere Ansatz aussehen könnte, aber er müsste erzieherischer wirken und menschliche Fehler berücksichtigen.“
Poll über die Verbesserung der Beziehungen und Einschüchterungen
Fußball-Fans sind es gewohnt zu sehen, wie eine Traube von Spielern nach strittigen Entscheidungen versucht den Referee zu beeinflussen. Poll hält das für eine weitestgehend vergebliche Bemühung.
„Ich würde begrüßen, wenn es vor der Saison einen offenen Dialog mit den Verantwortlichen und den Teams geben würde und gewisse Regeln hinsichtlich des Verhaltens diskutiert würden.“
„Kein Zweifel, dass gewisse Trainer in einigen Fällen zu aggressivem Verhalten gegenüber den Unparteiischen neigen. Andererseits waren Mannschaften, die von Brian Clough und Stuart Pearce trainiert wurden, vor und nach dem Spiel immer sehr respektvoll. Das hat mir imponiert.“
„Schiedsrichter sind Menschen. Unter Druck produzieren auch sie vermehrt Fehler. Wenn Spieler versuchen, den Mann in schwarz einzuschüchtern, dann tun sie das mit dem Ziel, dass die nächste strittige Entscheidung zu ihren Gunsten ausfällt oder nicht bestraft wird. Normalerweise werden Schiedsrichter nicht darauf reinfallen. Wenn allerdings mehr Druck zu falschen Entscheidungen führt, würde ich sagen, dass ein entspannter Referee mehr richtige Entscheidungen trifft.“
Poll über die Standards bei der Rugby Weltmeisterschaft
„Rugby-Schiedsrichter sind nicht besser oder schlechter als Fußball-Schiedsrichter. Die Unterschiede liegen in den Regeln und der Natur des Spiels.“
„Durch die vielen Unterbrechungen bietet Rugby viel bessere Möglichkeiten beim Einsatz der Video-Schiedsrichter. Im Fußball, wo das Tempo ungleich höher ist, würden Verzögerungen durch dauernde Auswertungen von Videos das Spiel verlangsamen.“
„Hinzu kommt, man hat es im WM-Halbfinale zwischen Schottland und Australien gesehen, dass selbst die Video-Schiedsrichter beschränkt Einfluss auf das Spiel haben. Der Unparteiische auf dem Feld traf eine Entscheidung, die er nicht an die Video-Schiedsrichter weiterleiten konnte. Die Regeln des Spiel haben das verboten.“
Wenn sich Poll eine Regel aus dem Rugby aussuchen könnte, um diese beim Fußball einzuführen, wären das Strafminuten.
„Ich würde es begrüßen, vor allem wenn Offizielle von Spielern und Trainern angegangen werden, temporäre Spielsperren auszusprechen. Die Mannschaften wären einem unmittelbaren Nachteil ausgesetzt und würden für ihr nicht-respektieren schnell und effektiv bestraft. Bevor der Spieler auf das Feld zurückkehrt, wäre ein Entschuldigung nötig.“
Poll über seinen Lieblingsklub die Queens Park Rangers
Es mag überraschend klingen, aber in England ist es erlaubt, als Schiedsrichter ein Spiel jenes Klubs zu leiten, den man unterstützt. In seiner Karriere durfte Poll 9 Mal ein Spiel seines Lieblingsvereins Queens Park Rangers pfeifen.
„Man muss schon erklären, ob es eine Mannschaft gibt, bei der man das Gefühl hat nicht ganz neutral zu sein. Ich habe mich aber nie so gefühlt, als ob ich ein Spiel von QPR aufgrund meiner Loyalität zu dem Klub nicht hätte leiten können. Meine Bilanz mit 3 Siegen, 3 Unentschieden und 3 Niederlagen zeigt ja offensichtlich, dass ich zu keinem Zeitpunkt in Versuchung geraten bin.“
Poll über seine schlimmste Fehlentscheidung
„Nein, es ist nicht der Fehler bei der WM 2006. Es war eine Elfmeter-Entscheidung beim Spiel Portsmouth gegen West Bromwich. Beide Teams kämpften gegen den Abstieg. Meine falsche Entscheidung führte dazu, dass West Brom den bitteren Gang in die 2. Liga antreten musste. Das wird mich immer verfolgen. Bei falschen Entscheidungen hoffst du immer, dass sie das Spiel nicht nachhaltig beeinflussen.“
Poll über Interviews nach dem Spiel
„Diese Interviews können sehr ermüdend sein. Vor allem wirst du nur gefragt, wenn eine diskussionswürdige Entscheidung von dir getroffen wurde.“
„Wenn es obligatorisch für die Unparteiischen wäre, wie für die Trainer auch, nach dem Spiel Rede und Antwort zu stehen, sollten die Referees auf ausgewogene Fragen zum Spiel bestehen. Es sollte möglich sein, auch auf Entscheidungen zurück zu blicken und zu sagen: Schaut auf diese oder jene Entscheidung und warum sie richtig war! Das ist nicht wichtig für das Ego, sondern um eine breitere Aufklärung über die Situation der Unparteiischen zu bekommen.
Poll über eine andere kuriose Entscheidung
Da waren nicht allzu viele kuriose Fälle an die ich mich heute noch erinnern kann. Beim FA Cup-Spiel zwischen Reading und Southampton musste ich Francis Benali wegen eines Vorfalls des Feldes verweisen. Der Ball war in diesem Moment weit weg. Blöd für Southampton und Benali, dass sich diese Situation im Strafraum ereignete. Ich musste also den Spieler des Feldes verweisen und gleichzeitig einen Elfmeter für Reading verhängen. Trainer Graeme Souness fühlte sich verpfiffen und war sauer. Ein paar Tage später erhielt ich Post von einem wütenden Southampton-Fan. Er meinte, ich wäre der einzige Schiedsrichter gewesen, der so entschieden hätte. Letztendlich dankte ich ihm für sein Feedback.“