„Ohne Holland fahr’n wir zu WM“ – mit viel Hohn und Spott reagieren die deutschen Fußball-Fans auf eine Nicht-Qualifikation des Nachbarn bei einem großen Turnier. Bald könnte der Song wieder zu einem echten Dauerbrenner werden, denn die Niederlande stehen in der WM-Qualifikations-Gruppe A vor dem Aus. Platz 1 ist für die Elftal utopisch (Quote 101.00), Rang 2 immerhin noch machbar. Doch nach dem 0:4 in Frankreich glaubt wohl selbst daran kaum noch jemand.
Es war der 11. Juli 2010: Damals kratzten die Niederlande zum 3. Mal in der Geschichte des Fußballs daran, den höchsten Thron zu besteigen. Doch auch im 3. WM-Finale gab es für Oranje keinen Sieg. Mit 0:1 nach Verlängerung unterlag die Mannschaft von Trainer Bert van Marwijk den Spaniern.
7 Jahre später ist von dem Glanz eines WM-Finales nichts mehr übrig. Stattdessen herrscht Ratlosigkeit in den Niederlanden. Das jüngste 0:4 am Donnerstag in der WM-Quali gegen Frankreich zeigte einmal mehr auf, wie weit die Elftal inzwischen von der Weltspitze entfernt ist. Mit nur 10 Punkten nach 7 Spielen belegt Holland in der Gruppe A nur den 4. Platz und hat schon 6 Zähler Rückstand auf die Franzosen.
Einzig und allein die Tatsache, dass die zweitplatzierten Schweden zuletzt in Bulgarien (2:3) verloren, hält die Hoffnung an eine Qualifikation über Rang 2 noch am leben. Nur 3 Punkte sind es bis zu den Schweden. Überholen die Holländer noch die Skandinavier sowie Bulgarien dürfen sie immerhin noch auf eine Teilnahme über die Playoffs hoffen.
Alternde Stars
Doch woran liegt es, dass die Elftal innerhalb weniger Jahre ein solch massives Problem bekommen hat. Schließlich verpasste Oranje auch schon die Europameisterschaft 2016 in Frankreich. Vergleicht man die Startelf des WM-Finales 2010 und die eingesetzten Spieler des jüngsten 0:4-Debakels in Frankreich, findet man noch 3 Übereinstimmungen: Arjen Robben (33), Wesley Sneijder (33) und Robin van Persie (34). Doch die Mega-Stars des Teams sind in die Jahre gekommen und spielen längst nicht mehr auf dem hohen Niveau von damals.
Neue Talente sind vorhanden, aber Stars sind aus ihnen noch nicht geworden. Nur Daley Blind (Manchester United) und Arjen Robben (FC Bayern) gehören bei europäischen Top-Vereinen zum Stammpersonal. 2010 gewann Sneijder mit Inter Mailand noch die Champions League. Gegner im Finale waren damals die Bayern mit Arjen Robben und Mark van Bommel. Einzig und allein Jasper Cillessen hätte in diesem Jahr realistische Chancen in das CL-Finale vorzustoßen – als Ersatzkeeper des FC Barcelona.
Keine Kontinuität auf dem Trainerstuhl
Zu der Abwesenheit von Stars kommt bei den Niederländern noch das Problem der fehlenden Trainerkontinuität hinzu. Seit Bert van Marwijk im Jahr 2012 – er hatte die Elftal zuvor über 4 Jahre in 52 Spielen betreut – das Amt niederlegte, hielt es keiner mehr so richtig lange auf dem orangefarbenen Trainerstuhl aus. Louis van Gaal (713 Tage, 29 Spiele), Guus Hiddink (333 Tage, 10 Spiele), Danny Blind (603 Tage, 13 Spiele), Fred Grim (69 Tage, 3 Spiele) und nun Dick Advocaat (seit dem 6. Juni 2017, 2 Spiele) sind die Erben van Marwijks.
Für Advocaat ist es bereits die 3. Amtszeit als Bondscoach. Bereits von September 1992 bis Dezember 1994 und Januar 2002 bis Juli 2004 war er für die sportlichen Geschicke der Niederlande verantwortlich. Klingt mehr nach einer Notlösung, weil sich sonst kein namhafter Trainer den Job noch antun wollte, als eine Verpflichtung aus Überzeugung. Wenn das mal gut geht…
