Spielerstreik, Zahlungsrückstände an die Profis, Führungskrise im Verband – die Negativ-Schlagzeilen im Land des 2-fachen Weltmeisters schienen nicht abzureißen. Erst am letzten Wochenende wurde der Stillstand beendet – und ein neuer und lukrativer Fernseh-Vertrag könnte die Situation entschärfen. Vorläufig. Es bleiben große Zweifel.
Doppel-Torschütze Dario Benedetto von Tabellenführer Boca Juniors brachte es nach dem 2:0 bei CA Banfield auf den Punkt: „Endlich spielen wir wieder!“ Am vergangenen Wochenende endeten in der argentinischen Primera Division mit der Austragung des 15. Spieltages 80 quälend lange Tage mit Spielerstreik und schier endlosen Debatten um die Zukunft der Liga im Land des Weltmeisters von 1978 und 1986.
Mehr als € 30 Mio. Euro schuldete Argentiniens Klubs den Profis
Die Summe, die die 30 Klubs aus Liga 1 ihren Profis bis dahin geschuldet hatten, mutet pikant an: € 36 Mio. Das ist exakt das Jahressalär, das der argentinische Stürmerstar Carlos Tevez Berichten zufolge nun in China bei Shanghai Shenhua verdient. Da die Vereine nicht zahlen wollten, traten die Profis in Streik und lähmten damit ein ganzes Fußballland. Die Süddeutsche Zeitung berichtet gar, dass so mancher Fußballprofi, um sich über Wasser zu halten, einen Job als Pizzabote, Bauarbeiter oder Bäcker angenommen hat…
Der Staat springt ein…
Die „Klärung auf Argentinisch“ (Kicker) sieht so aus: Die Regierung streckt die Zahlung des aufgekündigten TV-Vertrages bis Saisonende vor. Der Streit zwischen den Vereinen und dem nationalen Verband Asociación del Fútbol Argentino (AFA), der kommissarisch von der FIFA geführt wird, scheint beigelegt. Auch ein neuer Verbandspräsident soll dann vorgestellt werden. Seit dem Tod von Verbandschef Julio Grondona im Juli 2014 ist der argentinische Fußballverband führungslos. Claudio Tapia, Schwiegersohn des mächtigen Independiente-Bosses Hugo Moyano, gilt als Favorit. Daniel Angelici, derzeit Chef beim Maradona-Klub Boca Juniors, soll neuer Vizepräsident werden. River Plates Rodolfo D`Onofrio soll Vize der neu zu gründenden „Superliga“ werden, die vollkommen unabhängig vom Verband und vom staatlichen Fernsehen installiert werden soll. Marcello Tinelli, Vizepräsident von San Lorenzo, soll die Superliga führen.
Neuer TV-Vertrag als Allheilmittel?
Mehr Hoffnung macht der ab der Saison der neue, auf 5 Jahre ausgelegte Fernsehvertrag, der den Klubs € 200 Mio. pro Jahr in die Kassen spülen soll. Die Sender ESPN, FOX/Turner und Mediapro sollen dann die Spiele im Fernsehen zeigen – und nicht mehr das staatlich finanzierte Free-TV.
Unter der Regierung von Cristina Fernández de Kirchner, so berichtet DER SPIEGEL, hatte der Staat im Rahmen des Programms „Fútbol para todos“ (Fußball für alle) gezahlt. Die Spiele liefen im Free-TV. Kirchners Nachfolger Mauricio Macri kündigte das Programm 2016 jedoch vorzeitig auf. Macri, von 1995 bis 2007 auch Präsident der Boca Juniors, hofft dank der Privatisierung auf höhere Einnahmen, vor allem für die Spitzenklubs.
Menotti hat wenig Hoffnung…
Argentiniens Trainerlegende Cesar Luis Menotti sieht dennoch schwarz. „Hier herrscht Chaos“, erklärte der inzwischen 78-jährige Weltmeistercoach aus dem Jahr 1978 im Deutschlandfunk, „die wirtschaftliche Situation ist schwierig. Heute träumt ein junger Fußballer hier nicht mehr davon, in seinem Verein Karriere zu machen, sondern in Europa.“ Die Wechsel von Innenverteidiger Ramiro Mori von River Plate zum FC Everton oder Mittelfeldspieler Giovani Lo Celso von CA Rosario zu Paris St. Germain bestätigten „den Dürren“, wie Menotti in Argentinien genannt wird.