2007 war der VfB Stuttgart mit Spielern wie Mario Gomez Deutscher Meister, danach ging es Stück für Stück bergab. Was ist in all den Jahren falsch gelaufen?
Als Außenstehender ist das ja nicht so leicht zu beantworten, weil man ja nicht tagtäglich beim Training zusieht und auch nicht beim Verein tätig ist. Als ehemaliger Spieler ist es vielleicht etwas Anderes, wenn man da noch zum Teil seine Kontakte hat, aber die Interna kennt man ja trotzdem nicht.
Fakt ist, dass es in Stuttgart nie geschafft wurde nach einem erfolgreichen Jahr konsequent weiterzuarbeiten und vor allem junge, talentierte Spieler wie Leno, Rüdiger oder Kimmich frühzeitig in die Mannschaft zu integrieren und dann vor allem zu halten. Vor der Meisterschaft 2007 war das das letzte Mal der Fall, als man einen Kern von 7, 8 Spielern aus der eigenen Jugend rund um Gomez und Tasci hatte, die damit einen ganz anderen Geist und eine eigene Harmonie in die Mannschaft gebracht haben. Solche erfolgreichen Strukturen sind dann sukzessive durch Neu- und Fehleinkäufe und durch fehlende Integration von jungen Talenten abhandengekommen. Das ist für mich ein Puzzlestein der Fehlentwicklung des VfB in den letzten Jahren.
Der derzeitige Trend zeigt wieder nach oben, die Mannschaft steht mit drei Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze. Schafft der VfB den direkten Wiederaufstieg?
Im Moment sieht es sehr gut aus, was mich auch irrsinnig freut. Da leistet ein junger Trainer sehr gute Arbeit und lässt in Stuttgart einen attraktiven Fußball spielen, was in der 2. Liga nicht immer ganz leicht ist. Nach anfänglichem Stocken haben sie sich jetzt oben etabliert und deswegen wäre es dem ganzen Verein nur zu wünschen, dass sie den Wiederaufstieg gleich schaffen. Wichtig ist es, dass hier weiter so konsequent und ruhig gearbeitet wird, dann wird man sich auch nach dem Aufstieg wieder in der Bundesliga etablieren.
Welchen Anteil am derzeitigen Erfolg hat Trainer Hannes Wolf?
Meiner Meinung nach lässt sich eine klare Handschrift erkennen. Es macht Spaß zu sehen, wie sie die Spiele zwar oft knapp, aber mit sehr ansehnlichem Fußball gewinnen. Da sieht man, dass hier wieder eine Mannschaft auf dem Platz steht, die für einander kämpft. Das hat dem VfB auch ein Stück weit gefehlt in den letzten Jahren. Entscheidend ist, dass man diese Struktur festigt und man bei den sicher wieder kommenden Niederlagen ruhig bleibt, weiterarbeitet und nicht resigniert.
Gibt es derzeit einen Schlüsselspieler oder ist die Mannschaft der Star?
Ich denke, dass der Trainer darauf achtet, dass die Mannschaft der Star ist. Das ist meiner Meinung nach gerade in der 2. Liga besonders wichtig.
Kann der VfB jemals wieder an die erfolgreichen Zeiten anschließen? Was braucht es dafür?
Wie gesagt, dafür braucht es Zeit, konsequente Arbeit und Ruhe. Der VfB ist ein hervorragender Verein, der in die Bundesliga gehört. Vielleicht war dieser Absturz in die zweite Liga auch der entscheidende Baustein für die erfolgreiche Basis der nächsten Jahre. Manchmal kann es nützlich sein, dass Uhren auf null gestellt werden, damit wieder sauber und strukturiert gearbeitet wird. Es wirkt so, als hätte der VfB sich kräftig geschüttelt und jetzt auch wieder gefangen. Die Möglichkeiten an die erfolgreichen Zeiten anzuknüpfen sind auf jeden Fall da.
Ist die Mannschaft des VfB derzeit erstligatauglich?
Das ist schwierig zu sagen. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg ist ja immer alles möglich, wie Darmstadt, Ingolstadt oder Leipzig gezeigt haben bzw. zeigen. Der schwierige Part kommt im 2. Jahr. Meiner Meinung nach hat die Mannschaft auf jeden Fall die Qualität die Klasse zu halten, wenn man den jungen Spielern Zeit gibt sich in der Bundesliga weiterzuentwickeln. Natürlich muss man dann auch wieder Geld in die Hand nehmen und sich gezielt in der Breite verstärken, um in der Bundesliga zu bestehen.
Sie wurden 1992 mit dem VfB Stuttgart Meister. War das der größte Erfolg Ihrer Karriere?
Keine Frage, Deutscher Meister zu werden gehört zu den größten Erfolgen meiner Karriere. Aber auch die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1994 oder das Europapokalfinale gegen den SSC Neapel mit Maradona waren absolute Highlights, die man nie wieder vergisst. Der Titel mit Stuttgart hat aber sicher einen eigenen Platz. Wenn man sich die Geschichte des VfB ansieht, merkt man ja, dass es nicht so eine Titelzahl, wie bei den Bayern ist und da ist es natürlich wunderschön und es macht einen stolz bei einem der Titel entscheidend mitgewirkt zu haben.
Apropos Weltmeisterschaft: Wie haben Sie diese erlebt und was waren besonders einschneidende Erlebnisse?
Eine negative Erinnerung ist, dass ich damals zwar dabei war, aber keinen Einsatz auf dem Platz hatte, obwohl ich damals sicher am Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit war. Es ist dann einfach persönlich schade, wenn man jeden Tag darauf hinarbeitet und dann im Endeffekt immer wieder vertröstet wird und es nicht zu einem Einsatz reicht. Grundsätzlich war es aber ein großartiges Erlebnis 8 Wochen bei einer Weltmeisterschaft zu sein
Niko Kovac hat letztes Jahr mit Eintracht Frankfurt nur über die Relegation den Klassenerhalt geschafft. Derzeit steht man auf Rang 3 in der Bundesliga. Spielt die Eintracht nächstes Jahr in der Champions League?
Nach den vielen Höhen und Tiefen wäre es ihnen absolut zu wünschen. Niko Kovac macht hier auch großartige Arbeit und hat es geschafft sich am oberen Ende der Tabelle zu etablieren. Mit dem ganzen Umfeld, dem Stadion und den Fans, wäre eine Champions-League-Teilnahme traumhaft. Es ist aber noch eine lange und schwierige Saison und ich hoffe, dass sie von Verletzungen verschont bleiben und auch das nötige Glück haben, damit man die Champions-League-Teilnahme wirklich schafft.
Was macht Niko Kovac anders als Armin Veh? Was ist sein Erfolgsgeheimnis?
Ich habe keine der beiden als Trainer gehabt, was die Beurteilung schwierig macht. Was man von außen beurteilen kann, ist, dass Niko Kovac die Spieler erreicht, dass sie umsetzen was er fordert und, dass die Mannschaft eine Einheit auf dem Platz ist. Wenn man dann Erfolg hat, kommt da eine Harmonie hinein, die dann der Schlüssel zum Erfolg ist. Wichtig ist es jetzt, die Niederlagen gegen Bayer Leverkusen und Ingolstadt abzuhaken und dort weiterzumachen, wo man davor war.
Fehlt der Eintracht nicht die Klasse, um dauerhaft oben mitzuspielen?
Da spielen viele Faktoren mit: Bleiben alle Spieler beim Verein? Wer kommt neu dazu? Wie geht man mit einer etwaigen Doppelbelastung um? Das sind ja alles potenzielle Unruhefaktoren. Hier wird sich zeigen, ob man das richtige Händchen hat, um das Team zusammenzuhalten.
Grundsätzlich ist diese Saison ja alles möglich. Derzeit schwächeln viele Vereine, selbst die Bayern, die auch nicht gut spielen und trotzdem Tabellenführer sind. RB Leipzig, die zwar kein normaler Aufsteiger, aber immer noch ein Aufsteiger sind, stehen mit einer sehr jungen Mannschaft am zweiten Tabellenplatz. Frankfurt hat diese Situation hervorragend genutzt und steht zurecht dort oben. Wenn man die Euphorie mitnimmt und die entscheidenden Spieler hält, ist bei der Eintracht vieles möglich.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Fredi Bobic als Nachfolger von Heribert Bruchhagen?
Er bespricht sich sicher täglich mit dem Trainer und hält ihm den Rücken frei, damit er in Ruhe arbeiten kann. Letztendlich ist er mitverantwortlich, wer geholt und wer abgegeben wird und hält im Hintergrund die Fäden zusammen. Meiner Meinung nach macht er das ganz ausgezeichnet.
Sie hatten damals Probleme mit dem Trainer Jupp Heynckes. Was ist zwischen Ihnen beiden vorgefallen?
Da ist so viel vorgefallen und doch eigentlich gar nichts. Das ist ja auch schon über 20 Jahre her und ich möchte hier auch gar kein Buch aufmachen, weil sonst im Nachhinein wieder vieles missverstanden werden würde.
Ich kann sagen, dass ich damals einige Fehler gemacht habe, die auf Eitelkeiten und Sturheit zurückzuführen sind und die ich so heute nicht mehr machen würde. Die Erfahrung und Weisheit des Lebens lehrt einen hier einiges.
Sie sind noch einmal zur Eintracht zurückgekehrt, was war Ihre Motivation in der 2. Bundesliga zu spielen?
Zwar ist damals viel passiert, ich habe mich jedoch nichtsdestotrotz zum Verein hingezogen gefühlt. Außerdem habe ich eine gewisse Verantwortung verspürt dem Verein zu helfen. Deshalb bin ich dann geblieben und habe alles gegeben, damit die Eintracht wieder aufsteigt und sich stabilisiert. Das war damals gar nicht so einfach, weil wir sehr viele junge und sogar manche Amateurspieler im Kader hatten.
Sie wurden von Frankfurt nach Manchester City ausgeliehen. Was waren die größten Unterschiede zur deutschen Liga? Man denke an das damals typische Kick and Rush.
Das war zur damaligen Zeit wirklich extrem. Zeitweise kam ich mir vor wie beim Tennis. War ich vorne, war der Ball hinten. War ich hinten, war der Ball vorne. Das waren 90 Minuten purer Kampf, deshalb sind dann oft ab der 75. Minute die Tore gefallen, weil die Spieler komplett ausgepowert waren. Ich hatte dann ein paar Gespräche mit dem Trainer, darüber, dass wir versuchen müssen mit meiner Person Fußball zu spielen. Ich war das aus der Bundesliga einfach ganz anders gewohnt. Danach haben wir unser Training und unsere Spielweise dementsprechend umgestellt. So haben wir dann auch den Klassenerhalt geschafft und es hat der Mannschaft, den Zuschauern und vor allem mir mehr Spaß gemacht, nicht mehr Tennis, sondern Fußball zu spielen
Wurden Sie von Ihren Teamkollegen schnell akzeptiert?
Das ging sehr schnell. Ich war komplett begeistert davon, wie die Spieler dort den Fußball leben. So eine Einstellung habe ich sonst auch nicht erlebt. Auf der einen Seite war es viel lockerer als in Deutschland, zum Beispiel bei der Ernährung oder einfach mal während der Saison eine Woche nach Spanien zu fliegen und dort ein Golfturnier abzuhalten. Auf der anderen Seite war eben die Einstellung viel verrückter. Da waren viele Spieler bis 3, 4 Uhr morgens auf oder haben gleich durchgemacht bis zum Training und haben dort dann mehr Gas gegeben, als die Spieler, die sich brav um 11 Uhr ins Bett gelegt haben. Diese Einstellung gepaart mit der gesunden Härte des englischen Fußballs, haben die 6 Monate zu einem großartigen Erlebnis gemacht.
Gibt es eine nette Anekdote aus Ihrer Zeit in England?
Einmal wurde ich gefoult und bin sehr hart umgefallen. Plötzlich haben meine eigenen Spieler an mir herumgezerrt und haben mich hochgezogen, um mir klarzumachen, dass der Freistoß schon gegeben wurde und ich nicht auch noch eine gelbe Karte provozieren muss. Diese Form von Fairplay, die zumindest zu meiner Zeit ein essentieller Teil der Mannschaft war, war für mich auch eine ganz neue Erfahrung.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Bundesliga und Premier League heutzutage? Kann sich die Bundesliga an England orientieren oder umgekehrt?
Wir sehen uns zurecht in der Bundesliga schon sehr weit. Aber abgesehen von den Bayern und dem BVB, der in den letzten Jahren langsam aufschließt, sind wir international noch nicht so weit, wie zum Beispiel die Premier League. Das liegt schon einmal daran, dass in England ungleich viel mehr Geld vorhanden ist, vom 1. bis zum 20. der Tabelle. Außerdem locken sie mit diesem Geld viel mehr international renommierte Weltklassetrainer in die Liga. Man kann ja sehen, dass sich dort selbst ein Pep Guardiola mit seiner Spielweise sehr schwer tut, wenn 5-6 Teams um die Meisterschaft kämpfen
Ist er in Manchester bereits gescheitert? Ist der Hype um ihn zu groß, weil er in Wahrheit ein durchschnittlicher Trainer ist?
Gescheitert würde ich nicht sagen. Erst ist ja erst ein paar Monate da und muss sich die entsprechenden Strukturen schaffen. Wie ich oben schon gesagt habe, in England gibt es viel mehr Vereine mit riesigem Potenzial. In der Bundesliga war es für Guardiola einfacher eine Struktur zu schaffen, die eine Mannschaft hervorgebracht hat, welche so dominant gespielt hat, dass es fast schon beängstigend war. In England ist es selbst mit einem Topteam und immens viel Geld schwierig, weil sehr viele Teams auf einem finanziell sehr hohen Niveau und Trainer wie Conte, Wenger, Klopp, Pochettino und Mourinho mit einem im Wettbewerb stehen.
Guardiola war der Trainer, der Ihrem Sohn die erste Chance bei Bayern gegeben hat. Ist er ein Trainer, der die Jugend forciert?
In München hatte man auf jeden Fall den Eindruck. Er hat sein Werk leider nicht vollendet, weil dann ja doch am Ende der Erfolg zählt, an dem man gemessen wird. Das ist in England ähnlich, sonst würde er dort nicht schon in der Kritik stehen. Bei Bayern hat er auf jeden Fall das Talent von Gianluca gesehen und auch gefördert.
Fakt ist, dass hier 2 zwei dazugehören und mein Sohn hier ein wenig stagniert hat. Er konnte seine Chance nicht zu 100% nutzen und seine Leistung nicht so abrufen, wie es dem Trainer gefallen hätte. Meiner Meinung nach zählt er auf jeden Fall zu den größten Jugendförderern. Sei es Gianluca bei den Bayern, dem er eine Chance gegeben hat, Leroy Sane bei Manchester City oder Sergio Busquets bei Barcelona, den er zu einem Weltklassespieler ausgebildet hat.
Sie kamen zur selben Zeit wie Uwe Rösler zu Manchester City. Wie beurteilen Sie seine Trainerlaufbahn? Bei Leeds hatte er seine Probleme und ist nun bei Fleetwood Town.
Ich verfolge die Karriere von Uwe sehr lose. Er war damals ein wahnsinnig toller Typ, mit dem man viel Spaß hatte. Ich freue mich, dass er sich in England langsam einen Namen als Trainer aufbaut und wünsche ihm viel Erfolg, dass er den nächsten Schritt weiter nach oben machen kann.
Der VfL Bochum ist nur 13. in der Liga, letztes Jahr hat man lange um den Aufstieg mitgespielt. Was läuft diese Saison falsch?
Schauen Sie sich St.Pauli an, die waren letzte Saison 4., haben lange um den Aufstieg mitgespielt, der Trainer ist diese Saison der gleiche und jetzt stecken sie im Abstiegskampf. Sowas kann nach einer langen Saison, in der man am absoluten Limit spielt, leicht passieren. Da ist man lange am Aufstieg dran und dann klappt es leider doch nicht. Man kann das mit einem Luftballon vergleichen, den man lange herumliegen lässt, der ist dann irgendwann einfach platt. Danach kommt der Urlaub und dann muss man sich wieder eine ganze Saison neu motivieren, so etwas kann sehr schwierig sein. Bei Clubs wie Bochum oder St.Pauli ist das noch einmal komplexer, weil das Vereine sind, die nicht jede Saison viel Geld in die Hand nehmen und investieren können.
Ist Gertjan Verbeek der richtige Mann für den Verein?
Ich fand Gertjan Verbeek schon in Nürnberg großartig. Er ist ein taktisch hervorragender Trainer und ein sehr guter Motivator. Man sollte ihn jetzt in Ruhe weiterarbeiten lassen, mit den Mitteln, die er hat. Dann bekommt er die Mannschaft sicher wieder auf Schiene und bringt auch wieder eine ordentliche Struktur hinein.
Sie spielten nach Bochum noch 3 Jahre in der Türkei. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Am Anfang war es sehr schwer, da es eine ganz andere Kultur und eine sehr schwierige Sprache ist. Danach hatte ich 3 wunderschöne Jahre mit viel Sonnenschein in Antalya (lacht). Sportlich war es sehr ereignisreich und spannend, da wir ja dort im permanenten Abstiegskampf waren. Was mir sehr schön in Erinnerung bleibt, ist das Pokalfinale gegen Galatasaray, dass wir zwar verloren haben, aber dadurch haben wir es in den UEFA-Cup geschafft. Und dort konnten wir dann gegen Werder Bremen spielen, was für mich natürlich ein Riesending war. Da haben wir zuhause 2:0 gewonnen und ich habe noch dazu ein Tor geschossen. Dass wir dann in Bremen 6:0 verloren haben, hat mich nicht überrascht, weil mir die Stärke von Werder Bremen bewusst war. Aber der Heimsieg ist eines der Highlights, die in Erinnerung bleiben.
Wie war damals das Niveau der türkischen Liga?
Das Niveau war natürlich nicht mit der Bundesliga vergleichbar, aber in der Türkei wurde schon damals ein guter, technisch sehr beschlagener Fußball gespielt, den man nicht unterschätzen darf. Oft denkt man sich, wenn man in ein neues Land kommt und sich ein Spiel ansieht, dass man da ganz einfach, wie im Training mitspielen kann. Dann erkennt man jedoch sehr schnell, dass jede Liga einen eigenen Fußball mit ganz eigener Qualität spielt. Da muss man sich integrieren und schnellstmöglich an die Mentalität anpassen, sonst findet man sich schnell auf der Bank wieder, egal in welchem Land.
Was waren sonst die größten Unterschiede zum Leben in Deutschland?
Da gab es schon große Unterschiede zu Deutschland oder England. Vor allem die Reisen waren um einiges strapaziöser. Damals gab es noch sehr wenige Direktflüge und man musste immer über Ankara oder Istanbul fliegen. Die Rückreisen dauerten teilweise 10-12 Stunden, die man im Bus verbracht hat. Wir reden ja vom Zeitraum 1999-2002, da gab es Antalya, Istanbul und Ankara als europäisch angehauchte Städte und sonst nichts. Die Hotels, in denen wir untergebracht wurden, waren nicht vergleichbar mit 3 oder 4-Sterne-Hotels, die ich aus Deutschland oder England kannte. Plumpsklos sind da durchaus vorgekommen. Aber man muss ehrlich sagen, dass man sich auch in so einem Umfeld zurechtfinden kann und das ist bei mir ohne Probleme möglich gewesen.
Sie haben Ihre Karriere bei Waldhof Mannheim begonnen und beendet. Ist dieser Verein Ihre große Liebe?
Waldhof Mannheim ist der Verein, dem ich verdanken kann und verdanken muss, dass ich Profi werden konnte. Ein Jahr bevor ich meinen Vertrag unterschrieben habe, ist Mannheim aufgestiegen und hat sich mit vielen jungen Spielern in der Bundesliga etabliert. So konnte ich in die große Welt, also in die Bundesliga, reinschnuppern und nebenbei noch 3 Jahre bei meinen Eltern in Mannheim leben. Für die Möglichkeiten, die mir der Verein und Trainer Klaus Schlappner hier gegeben haben, bin ich sehr dankbar. Deswegen war es auch klar für mich, dass ich dann gegen Ende meiner Karriere noch einmal ausgeholfen habe und zumindest ein wenig an den Verein zurückgeben konnte, der es mir ermöglicht hat, in die große Welt zu gehen.
Haben Sie heute noch Kontakt zum Verein?
Nein leider nicht mehr. Meine Eltern leben aber weiterhin in Mannheim.
Ihr Sohn wurde von Pep Guardiola sehr früh zu den Profis geholt, konnte sich jedoch dann, wie Lucas Scholl oder Sinan Kurt, nicht durchsetzen. Haben die Bayern ein Problem in ihrer Jugendarbeit?
Ich denke nicht, weil ja weiterhin Talente vorhanden sind. Mein Sohn hat ja damals auch Einsätze bekommen unter Pep Guardiola, Scholl war einige Male im Kader, ebenso Sinan Kurt. Eventuell muss Bayern die Durchlässigkeit nach oben verbessern, da im Jugendbereich enorm viel Talent vorhanden ist und dieses Potenzial seit langem nicht mehr im Profibereich integriert wurde.
Was man aber hinzufügen muss, ist, dass die Talente natürlich auch umsetzen müssen, was der Trainer von ihnen will. Wenn sie zu Einsätzen kommen müssen sie auch einmal etwas Außergewöhnliches machen, Duftmarken setzen und auf sich aufmerksam machen. Diese mentale Stärke muss man als junger Spieler mitbringen. Die Bayern gewinnen das Spiel mit dem Talent aber auch ohne das Talent. Wenn der Spieler aber Stürmer ist und dann 2 Tore macht, sieht die Sache auch bei den Bayern anders aus. Was man aber nicht vergessen darf, ist, dass es bei den Bayern für junge Spieler sicher schwieriger ist, als bei vielen anderen Vereinen.
Sie beraten heute unter anderem Ihren Sohn Gianluca. Spielerberater werden in der Öffentlichkeit und von den Clubs zunehmend negativ wahrgenommen. Wie beurteilen Sie diese Wahrnehmung?
Viele Berater beziehen da alles auf sich. Auch Versicherungsmakler haben ja einen schlechten Ruf. Ich glaube als Berater hast du es allgemein in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so leicht. Wichtig ist, dass man sich selbst in den Spiegel schauen kann und ehrlich mit Vereinen und Spielern umgeht. Die Vereine zeigen mit dem Finger auf die Berater und die Berater zeigen auf die Vereine. Letztendlich muss man fair miteinander umgehen und sich in die Augen sehen können, das erwarte ich auch vom Verein.
Ihr Sohn Gianluca gilt als äußerst talentiert. Wie ist es als Vater mit einem begabten Sohn? Verspürt man da Druck? Was kann man als Vater falsch machen?
Also mein Sohn verspürt von meiner Seite keinen Druck und ich verspüre auch keinen. Ich bin stolz, dass er diesen Weg eingeschlagen hat, den er sich selbst ausgesucht hat, ganz ohne mein Zutun. Ich versuche ihm Tipps zu geben, was er richtig und falsch machen kann, basierend auf meinen Erfahrungen. Ich finde es persönlich nicht gut, dass Söhne oft mit ihren Vätern verglichen werden. Die Jungs können ja nichts dafür, dass ihr Vater einmal ein berühmter Fußballer war. Wenn er mir morgen sagen würde, dass er aufhören möchte, würde ich ihn auch dabei unterstützen. Letztendlich trifft er seine Entscheidungen, die er auch voll verantworten muss. Wenn er erfolgreich sein möchte, weiß er was er tun muss. Er weiß, dass man viele Dinge hintenanstellen muss. Wenn man diesen Willen und das Talent mitbringt, kann man Berge versetzen.
Uli Hoeneß dementiert Spekulationen über den Rücktritt von Philipp Lahm, kurz darauf kommuniziert es Philipp Lahm selbst den Medien. Rummenigge scheint überhaupt anderer Meinung zu sein. Rumort es intern bei den Bayern? Ist nicht alles eitel Wonne, wie es nach außen immer kommuniziert wird?
Das kriegt man als Außenstehender nie so genau mit, wer da was zu wem gesagt hat. Fakt ist, dass man als Spieler immer zuerst mit dem Verein sprechen sollte. Man darf ja nicht vergessen, dass man immer noch ein Angestellter ist. Ich denke aber, dass der FC Bayern ein hervorragend geführter Club ist, dass Philipp Lahm dem Verein viel zu verdanken hat und, dass er das auch weiß. Nach außen sieht das alles ein wenig nach einem Alleingang von Lahm aus, aber wir bekommen hier ja auch nur mit, was dann in den Medien steht.
In der Bundesliga scheinen die Bayern sportlich nicht immer voll auf der Höhe zu sein. Wo liegt das Problem? Liegt es an der Philosophie von Carlo Ancelotti, die so verschieden zu jener von Pep Guardiola ist?
Ich glaube, dass die Spieler derzeit einer großen Umstellung ausgesetzt sind. Guardiola und Ancelotti sind komplett verschieden. Pep hat jeden Spielzug bis ins Detail trainieren lassen und immer das Kollektiv vorangestellt. Ancelotti macht das anders. Er lässt den Spielern die Freiheit selbst zu entscheiden, wie sie Probleme auf dem Platz lösen. Ich denke da liegt ein bisschen das Problem. Die Spieler benötigen noch Zeit mit dieser Verantwortung und Freiheit umgehen und ihr volles Leistungspotenzial abrufen zu können
Es existiert ein Video, in dem Sie von Boris Johnson getackled werden. Wie war das für Sie und was hat er nachher zu Ihnen gesagt?
Er hat sich entschuldigt (lacht). Man kann ja im Video sehen, dass er mich sicher nicht so hart foulen wollte. Er schüttelt nachher selbst den Kopf und hat sich auch gleich entschuldigt. Schmerzhaft war es schon, weil er davor ins Straucheln gekommen ist und mich wie im Rugby umgerannt hat. Im Nachhinein ist es aber nicht so schlimm, weil ich dann gleich weiterspielen konnte und es heute ganz lustig ist, immer wieder auf das Video angesprochen zu werden und Boris Johnson kein unbekannter Mensch ist (lacht).