Seit November stellt Deutschland wieder einen Box-Weltmeister. Ob Dominic Bösel auch derjenige ist, der das deutsche Boxen aus seiner schon so lange andauernden Tristesse befreit? Die Zeit, in der regelmäßig 18 Millionen Fans zu den Kämpfen eingeschaltet hatten, bleibt ganz eng mit dem Namen Henry Maske verbunden. Womöglich für immer.
Der Gentleman-Boxer, der aus dem Osten kam, um die vereinte Nation mitzureißen: Olympiasieger, von 1993 bis 1996 Weltmeister des Verbandes IBF und in 32 Profi-Kämpfen nur ein einziges Mal besiegt! Heute ist Henry Maske erfolgreicher Franchise-Unternehmer und gefragter Motivationscoach. Und wer mit ihm spricht, merkt auch gleich, warum. Im exklusiven bwin-Interview redet der 55-Jährige über Bösels Aufstieg sowie den Rückkampf zwischen Andy Ruiz und Anthony Joshua am 7. Dezember:
bwin: Herr Maske, im November waren sie für den MDR als Experte im Einsatz. Wie viele Kämpfe verfolgen Sie über ein ganzes Jahr gesehen noch?
Henry Maske: „Nicht mehr wahnsinnig viele. Bei international bedeutenden Kämpfen wie zuletzt Wilder vs. Ortiz schaltet man natürlich ein. Aus deutscher Sicht wird nicht mehr allzu viel gezeigt, auch wenn der MDR da schon einen guten Job macht. Ich freue mich, dass die Amateurboxer mit dem Turnier in Berlin eine große Plattform bekommen haben.“
bwin: Beim besagten Kampf krönte sich Dominic Bösel gegen Sven Fornling zum Weltmeister (IBF/WBA) im Halbschwergewicht. Erkennen Sie Parallelen zwischen Bösel und Ihnen selbst?
Maske: „Einerseits hatte Dominic Bösel nicht diese Historie als Amateur und ist nun mit 30 Jahren an einem ganz anderen Punkt als ich in diesem Alter. Was man vergleichen kann, ist die Gewichtsklasse und der Stil. Dominic boxt technisch sehr versiert, mit viel Übersicht und achtet stets darauf, selbst nicht so oft getroffen zu werden. Trotzdem gibt es Situationen in seinen Kämpfen, wo ich mich Frage: Warum macht er das jetzt? Da darf er sich dann nicht derart passiv verhalten.“
Ein Deutscher Deontay Wilder funktioniert hier nicht“
bwin: Kann Bösel in den nächsten Jahren zu dem Aushängeschild werden, das dem deutschen Boxen schon so lange fehlt?
Maske: „Im Ring befindet sich Dominic wie gesagt auf dem richtigen Weg. Da er bis jetzt vorwiegend gegen Europäer gekämpft hat, muss man abwarten, ob und wie mit anderen Boxern mitsamt deren unterschiedlichen Stilen zurecht kommen wird. Wenn man über den Status Aushängeschild spricht, spielen heutzutage aber noch ganz andere Sachen eine Rolle.“
bwin: Sie meinen die mediale Präsenz. Wie lässt sich diese steigern?
Maske: „Das Fernsehen überträgt das, was spannend ist und bleibt dabei, wenn der Ansatz stimmt. Dafür musst du – mit einem professionellen Management im Hintergrund – entsprechende Gründe liefern. Die Amerikaner lösen das über den Show-Faktor. Ich denke nicht, dass ein Typ wie Deontay Wilder in Deutschland funktioniert bzw. beliebt wäre. Die Leute wollen einen Boxer mit Bodenhaftung. Einen, der sich den Zuspruch des Volkes verdient, weil er die Bereitschaft mitbringt, sich zu quälen.“
Entscheidend ist nicht das Werkzeug, sondern wie ein Boxer es einsetzt“
bwin: Das letzte große Highlight in diesem Jahr steigt am 7. Dezember. Gelingt Anthony Joshua die Revanche gegen Andy Ruiz?
Maske: „Man sagt im Schwergewicht ja gerne: They never come back! Alleine Muhammad Ali hat mehrmals das Gegenteil bewiesen. Ich selbst kenne die Situation aus meiner Amateur-Karriere. Irgendwann stehst du einem Gegner gegenüber, der mental viel stärker ist, als man denkt. Aus dieser Sicht betrachtet hat Ruiz in etwa auf dem Level eines Vitali Klitschko gekämpft. Joshua bringt – angefangen von der Physis über Technik und Reichweite – alles mit, um den Rückkampf zu gewinnen. Entscheidend ist hier nicht das Werkzeug, sondern wie ein Boxer es einsetzt.“
bwin: Noch im Ring sprach AJ-Promoter Eddie Hearn von einem „Must Win-Fight“. Ist der gewaltige Druck von Außen vielleicht der härtere Gegner als Ruiz selbst?
Maske: „Vielleicht ist das ebenfalls Show. Niemand weiß, was hinter den Kulissen wirklich läuft. In diesem Sport gibt es meiner Meinung nach einen sehr schmalen Grad zwischen extremen Zweifeln und dem Verzweifeln. Ich sehe Anthony Joshua nicht an diesem Punkt. Ja, er war – wie alle – total beeindruckt von seinem Gegner. Nun weiß er genau, worauf er sich einstellen muss.“
bwin: Dass der Rückkampf in Saudi Arabien stattfindet, stieß in Joshuas Heimat ebenfalls sauer auf!
Maske: „Wenn ich an den Thrilla in Manila denke, ist dies keine ganz neue Geschichte im Boxen. Nun eben Saudi-Arabien. Die Engländer mögen sich darüber aufregen. Ich verstehe beide Seiten. Aber würde der Großteil derjenigen es anders machen, wenn sie ein so lukratives Angebot auf dem Tisch liegen hätten?“
Gewichtsverlust? An Ruiz’ Stil wird sich nicht viel ändern“
bwin: Macht Ruiz vor dem Rückkampf seinerseits einen großen Fehler, indem er sein Gewicht zu sehr reduziert?
Maske: „Darüber wird derzeit viel diskutiert. Ich kann mir zumindest schwer vorstellen, dass er mit weniger Gewicht nicht mehr genügend Druck hinter seine Schläge bekommt. Mit verbesserter Beweglichkeit ist er für Joshua jedenfalls schwerer auszurechnen. Am Stil wird sich – egal mit welchem Gewicht – vielleicht nicht viel ändern. Aus der Halbdistanz bleibt er am gefährlichsten.“
bwin: Nach der Klitschko-Ära scheint das Schwergewicht insgesamt ausgeglichener. Wie sehen Sie die Zukunft von Anthony Joshua, Tyson Fury und Deontay Wilder?
Maske: „Nur ein gefallener Champion, der wieder aufsteht, zählt als ganzheitlicher Hero. Das muss Joshua jetzt beweisen. Fury hat unglaubliche Vorteile mit seiner Größe, aber wirkt selten austrainiert, um es bis ganz nach oben zu schaffen. Wilder muss man mit seiner Power im Auge behalten. Mittelfristig sehe ich in AJ denjenigen, der die Dynastie nach Klitschko für sich beanspruchen kann.“
bwin: Sehen wir Henry Maske in den nächsten Jahren noch mal selbst am Ring. Vielleicht als Trainer?
Maske: „Bevor ich zum Profi-Boxen kam, war es mein festes Ziel, später als Trainer zu arbeiten. Heute schließe ich das aus. Ohne jetzt zu sehr ins Detail zugehen, ist in der Zeit nach der Wende einiges geändert, das meine Sichtweise geändert hat.“
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