David Odonkor ist eng mit dem deutschen Sommer-Märchen 2006 verbunden. Bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land ging sein Stern auf. Verletzungsbedingt musste der pfeilschnelle Offensivspieler seine Karriere mittlerweile beenden. Im exklusiven Interview sprach der 33-Jährige ausführlich über seinen Ex-Verein Borussia Dortmund. Von 1998 bis 2006 trug er das Trikot des BVB und kennt den Klub aus dem Effeff. Ist Peter Stöger der richtige Trainer? War das Verhalten von Pierre-Emerick Aubameyang korrekt? Warum zündet Andriy Yarmolenko noch nicht? Ist die Borussia nur ein Ausbildungsverein? Odonkor liefert lesenswerte Anworten. Darüber hinaus blickt er auf seine eigene Karriere zurück.
Sie haben mehrere Jahre beim BVB gespielt, wie beurteilen Sie die derzeitige, von Unruhen geprägte, Situation?
Die Situation ist zurzeit nicht leicht. Diskussionen, wie zuletzt um Aubameyang, gab es zu meiner aktiven Zeit beim BVB gar nicht. Wir haben trainiert, gespielt und wenn ein Verein Interesse gezeigt hat, dann hat man sich an einen Tisch gesetzt und ehrlich miteinander gesprochen. Aber dieses Verweigern, Streiken und seine Leistung nicht mehr zu bringen, finde ich respektlos und schade. Wir sind mittlerweile in einer Zeit angekommen, in der Spieler denken willkürlich entscheiden zu können, ob sie bleiben oder nicht – und das trotz laufenden Vertrags.
Sie meinen, dass sich Spieler heutzutage nicht mehr darum kümmern, ob sie einen laufenden Vertrag haben oder nicht?
Ja, man hat es bei Dembélé gesehen, bei Aubameyang, bei Coutinho. Die Vereine müssten sich fragen, ob sie solche Typen wirklich verpflichten wollen. Diese Spieler streiken sich dann nämlich einfach zum nächsten Verein.
Schaden diese Spieler ihrem Verein?
Dieses Verhalten schadet dem BVB auf jeden Fall. Aubameyang war Torschützenkönig, der alleinige Stürmer und Torjäger und damit hatte er Dortmund in der Hand, weil sie in gewisser Weise von ihm und seinen Toren abhängig waren. Die Situation wäre eine andere gewesen, hätte man einen zweiten oder dritten guten Stürmer in der Hinterhand gehabt.
Fehlt den Spielern ein gewisses Maß an Dankbarkeit gegenüber dem Verein?
Man hat Dembélé und Aubameyang aus Frankreich geholt, hat sie in Dortmund gut ausgebildet und zu Stars gemacht. Sich dann so zu bedanken und zu verhalten, finde ich respektlos gegenüber dem Verein und der Mannschaft.
Ist Peter Stöger der richtige Trainer für den BVB?
Bis Ende der Saison macht er seine Arbeit hoffentlich gut und dann denke ich, dass sich der BVB einen neuen Trainer suchen wird. Man muss auch bedenken, dass derzeit sehr viel Unruhe im Verein herrscht, was es für den Trainer und seine Arbeit sehr schwer macht. Daran gemessen macht er es derzeit sehr ordentlich.
Sie denken, dass für ihn auch keine Chance besteht über die Saison hinaus zu verlängern?
Meiner Meinung nach wird er gehen und Dortmund einen neuen Trainer holen.
Liegt das daran, dass sein in Köln prägender Defensivstil nicht zu den spielerischen Ansprüchen des BVB passt?
Wenn man ihn mit Klopp oder Tuchel vergleicht, dann sieht man, dass unter ihnen anders gespielt wurde. Deswegen denke ich, dass man daran auch wieder anknüpfen möchte und einen anderen Übungsleiter holen wird.
Fehlt Stöger das Flair bzw. das Format, um Trainer bei einem Klub wie dem BVB zu sein?
Er hat schon seine Qualitäten, aber meiner Meinung nach passt Peter Stöger einfach nicht zu Borussia Dortmund.
Befindet sich Dortmund, verglichen mit den Erfolgsjahren unter Klopp, wieder auf dem absteigenden Ast?
Man hat in den letzten Jahren viele Topleute abgegeben, aber keine Topleute zum Verein geholt und dann stagniert irgendwann die Entwicklung. Da wurden viele Fehler gemacht. Wenn man oben mithalten möchte und das Ziel „Deutscher Meister“ ausgibt, dann muss man auch einmal tief in die Tasche greifen und Topspieler verpflichten, um das Niveau hochzuhalten.
Wie beurteilen Sie die bisherigen Leistungen von Neuzugang Andrij Yarmolenko, der als Dembélé-Ersatz gekommen ist?
Ich kenne ihn noch aus der Ukraine, wo ich gegen ihn gespielt habe. Er hat die Fähigkeit im Eins-gegen-Eins jeden stehen zu lassen, aber er funktioniert derzeit bei Dortmund überhaupt nicht. Das liegt sicherlich auch daran, dass die ganze Mannschaft derzeit nicht auf dem möglichen Niveau spielt. Man hat sich von ihm erhofft, dass er seine Qualität, die er zweifellos in der Ukraine gezeigt hat, bei Dortmund auch ausspielen würde. Die Ansprüche konnte er nur in den ersten 5 Saisonspielen erfüllen und seither steckt er in einem Loch, aus dem er nicht herauskommt.
Ist die deutsche Liga ein Stück zu groß für einen Spieler aus der ukrainischen Liga?
Die Bundesliga (alle Bundesliga-Wetten) ist auf jeden Fall eine der Topligen Europas, in der viele Stars bei etablierten Klubs spielen. Da kann es natürlich sein, dass der Unterschied zwischen der ukrainischen und der deutschen Liga für manche Spieler zu groß ist. Aber man kann sich hier weiterentwickeln und durchbeißen und ich hoffe, dass er das in den nächsten Wochen hinbekommt und an seine Leistungen vom Saisonanfang anknüpft.
Der BVB ist eher ein Ausbildungs- und Verkäuferverein, als ein Klub, der Stars kaufen oder beim Klub halten kann. Wird das zum Problem, wenn man zu Kalibern wie Barcelona, Real Madrid oder Bayern München aufschließen will?
Man hat ja unter Klopp schon mehr als deutlich oben angeklopft. Wenn man junge und hungrige Spieler hat und dann bekommt man am derzeitigen Transfermarkt Unsummen gezahlt, dann wird es schwer, diese Jungen zu halten. So wurde eigentlich über die Jahre viel Geld eingenommen, aber man hat nicht die richtigen Spieler geholt oder es manchmal verpasst, überhaupt einen Spieler zu holen, um die Qualität den Ansprüchen entsprechend hochzuhalten.
Fehlt für die ganz großen Transfers in Dortmund nicht das Flair, das Madrid, Barcelona oder München ausstrahlen?
Diese Klubs sind derzeit eine Nummer zu groß. Dortmund ist ein guter Verein, aber mit dem FC Bayern kann man sich nicht vergleichen, das ist genauso wie Barcelona oder Real Madrid ein anderes Kaliber.
Hätte man an Thomas Tuchel festhalten sollen, unter dem man spielerisch mit den Bayern konkurrieren konnte?
Es ist schon ein Problem, wenn die Situation zwischen Trainer, Mannschaft und Verein so zerrüttet ist, wie es hier der Fall war. Da ist es als Verein dann schwer am Trainer festzuhalten.
Denken Sie, dass der BVB die Qualifikation für die Champions League schaffen wird?
Davon bin ich felsenfest überzeugt. Das Gute ist ja, dass der ein oder andere der Topklubs ebenso Punkte liegenlässt und es noch nicht dramatisch ist. Qualität ist jedenfalls genug vorhanden.
Peter Stöger wird Ihrer Meinung nach den Verein verlassen. Wer sind denn die Nachfolgekandidaten für den Trainerjob in Dortmund?
Julian Nagelsmann wäre eine sehr gute Option und mein Favorit. Er ist jung, hungrig und sehr gut ausgebildet. Außerdem hat er meiner Meinung nach in Hoffenheim schon wahnsinnig gute Arbeit geleistet. Um an die alten Zeiten unter Klopp wieder anknüpfen zu können, wäre er der ideale Kandidat.
Ihr berühmtestes Spiel, das vielen in Erinnerung geblieben ist, war das Spiel gegen Polen bei der WM 2006. War das das schönste Spiel Ihrer Karriere?
Der schönste Moment war es auf jeden Fall. Bei so einer WM (alle WM-Wetten) mitzuspielen und dann noch dazu im Westfalenstadion so einen emotionalen Moment zu erleben, war einmalig. Es ist jetzt 12 Jahre her und die Leute reden immer noch darüber. Das zeigt einem, dass man alles richtig gemacht hat. Natürlich gibt es das ein oder andere Spiel, das ich in Spanien oder bei Dortmund gemacht habe, wie z.B. gegen Schalke, Madrid oder Barcelona – aber das kann man nicht mit der Nationalmannschaft vergleichen. Man trägt das Deutschlandtrikot und spielt im eigenen Land. Das ist sicher mein emotionaler Höhepunkt gewesen. Noch dazu war es mein Karrieresprung.
Dieses Tor soll ja die Initialzündung des Sommermärchens gewesen sein?
Es hat ja im Vorfeld niemand erwartet, dass wir so eine WM spielen und da hat dieses 1:0 gegen Polen die Bombe platzen lassen. Plötzlich wurden wir von Millionen Menschen mitgetragen, die an uns geglaubt haben und auf die Straße gegangen sind, um Deutschland zu sehen. Das war schon einzigartig. Mit dem Spiel hat es angefangen, dass dann 2008 bei der EM so eine Riesenunterstützung vorhanden war und dann im WM-Titel 2014 gegipfelt hat.
Sie haben ja schon einmal gesagt, dass die WM 2006 die Grundlage für den Weltmeistertitel 2014 war. Wie genau meinen Sie das?
Da wurde der Anfang gemacht mit Teambuilding und dem Fokus auf junge Spieler, die Leute haben wieder begonnen an das deutsche Team zu glauben und haben die Mannschaft bei jedem Turnier weitergetragen. Und dieses familiäre Gefühl ist für mich die Grundlage für den Titel 2014 gewesen.
Warum haben Sie den BVB nach der WM 2006 verlassen?
Mir wurde gesagt, dass man nicht mehr mit mir plant, dass ich den Verein verlassen kann und deswegen bin ich gegangen. Auch, weil der Verein nicht mehr hinter mir gestanden ist. Wenn man 6,5 Mio. € für einen jungen Spieler bekommt, ist das zwar irgendwo nachvollziehbar, aber ich hätte David Odonkor damals nicht verkauft.
Die Zeit bei Betis Sevilla war durchwegs von Verletzungen geprägt. Wie denken Sie an diese Zeit zurück?
Für mich und meine Frau war es eine wunderbare Zeit. Wir haben dort sehr viel gesehen, die Menschen sind irrsinnig herzlich und wir haben auch einige Freunde gefunden. Sportlich war es natürlich nicht optimal, aber ich würde immer wieder zurückgehen nach Sevilla.
Nach Sevilla haben Sie ein Jahr bei Alemannia Aachen gespielt. Verbindet Sie heute noch etwas mit dem Verein?
Alemannia Aachen hat mir die Chance gegeben, wieder in Deutschland Fuß zu fassen und Fußball zu spielen. Man darf ja nicht vergessen, dass ich davor einige schwere Verletzungen hatte. Dafür bin ich dem Verein bis heute sehr dankbar.
Ihre letzte Saison haben Sie in der Ukraine verbracht, wo Sie sich offensichtlich nicht wohlgefühlt haben. Was war in der Ukraine das Problem?
Der Lebensstandard ist mit dem in Deutschland natürlich überhaupt nicht vergleichbar, gerade weil es viel mehr Armut gibt. Außerdem hat mit dem Verein auch nicht alles so funktioniert, wie wir es abgesprochen hatte, aber sportlich habe ich gut abgeschnitten.
Bis zum Frühjahr letzten Jahres waren Sie sportlicher Leiter der Hammer SpVg. Woran ist Ihr Engagement gescheitert?
Ich habe die Wahrheit gesagt und deswegen wurde ich schlussendlich gekündigt.
Was war die Wahrheit?
Dass das Budget in der Form nicht ausreichen wird und wir etwas Anderes ausgemacht hatten.
Wo steht das deutsche Nationalteam derzeit?
Man ist auf einem richtigen Weg und ich denke, dass man den WM-Titel in Russland verteidigen wird.
Wer ist für Sie der große Star in der Mannschaft?
Auch, wenn das eine Floskel ist, aber der Star ist die Mannschaft. Gerade beim DFB-Team.
Denken Sie, dass Jogi Löw nach der WM eine Herausforderung bei einem Klub suchen wird? Er ist immerhin seit fast 12 Jahren Nationaltrainer.
Wenn mal einmal Nationaltrainer ist, dann bleibt man auch dort, deswegen mache ich mir keine Sorgen, dass er danach aufhört (Lachen).
Hätte er das Zeug zum Trainer bei einem großen Klub?
Ich denke schon, aber jetzt sollte er nur an die Nationalmannschaft denken.
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