Fan-Vereine: Protest als Erfolgsmodell
Fan-Vereine: Protest als Erfolgsmodell

Fan-Vereine: Protest als Erfolgsmodell

Die Reaktion der Fans auf die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs zeigt sich in der Gründung von „Protest-Klubs“. In England, wo der FC Wimbledon seine Anhänger als erstes auf die Barrikaden trieb, aber auch in Österreich und in Deutschland sind diese Vereine mehr als nur eine Stammtischidee.

Den Anfang machten Tumulte im Tennis-Mekka. Als der FC Wimbledon, FA Cup-Sieger von 1988, im Jahr 2002 ankündigte, den Londoner Südwesten zu verlassen und ins 90 Kilometer entfernte Milton Keynes zu gehen, hatten die Fans der „Dons“ genug. Sie zeigten ihrem geliebten Klub, der diese Umzugpläne wirklich durchsetzen konnte und als MK Dons in der 2. Englischen Liga weiterspielte, die kalte Schulter – und gründeten ihren eigenen Verein.

Das neue Wimbledon ist mittlerweile auf Augenhöhe mit dem alten Klub

Der AFC Wimbledon, vor gut 17 Jahren im Mutterland des Fußballs müde belächelt, zog seinen Kurs ebenfalls durch. Von der untersten Liga (Combined Counties League), wo man zum Start sämtliche Zuschauerrekorde brach, führte der Weg der New Dons bis in die League One, in die 3. englische Liga. In der Premierensaison schaffte der AFC Wimbledon ungeschlagen den Titelgewinn in der CCL, nach 2 weiteren Aufstiegen glückte bereits 2009 der Sprung in die höchste englische Nicht-Profiliga (Conference National). Erneut Vereinsgeschichte schrieb das neue Wimbledon 2011, als man im City of Manchester Stadium durch einen Elfmeterkrimi gegen Luton Town in die Football League Two und damit in den Profibereich aufstieg. Seit 2016 steht der AFC Wimbledon in der Football League One in der gleichen Spielklasse wie der so kalt verachtete Retortenklub MK Dons – und rangiert mit 39 Punkten aus 27 Partien als 11. der Tabelle weit vor dem Rivalen. Allerdings: Die MK Dons gewannen im Dezember 2016 das erste Duell (1:0). Die atemberaubende Erfolgsstory des AFC Wimbledon bietet Stoff fürs Kino. John Green, Fan und Sponsor des Vereins, will die Vereinsgeschichte mit Hilfe der Produktionsfirma Fox 2000 verfilmen lassen.

Ähnlich rasant verlief auch die Entwicklung des FC United of Manchester (FCUM). Die Anhänger der erfolgsverwöhnten „Red Devils“ hatten die mit CL- und PL-Gründung stetig vorangetriebene Kommerzialisierung und Globalisierung ihres Klubs aus Old Trafford schon lange mit Sorge verfolgt. Die Übernahme von Manchester United durch die US-amerikanische Investorenfamilie Glazer (2005) sorgte für den endgültigen Bruch. In der 8-klassigen Conference North stieg der Fan-Verein, u. a. mit dem früheren United-Fansprecher Andy Walsh an der Spitze, in den Spielbetrieb ein. Seit 2015 spielt man in der 6. Liga (National League North). „Wir konnten uns nicht mehr mit der Firma identifizieren, zu der die Glazers Manchester United gemacht haben“, begründet Walsh den Ausstieg. Neben den sportlichen Erfolgen kann man bei den roten Rebellen auch auf das 2015 eröffnete, eigene Stadion Broadhurst Park (4.400 Plätze) stolz sein.

Rote Rebellen gegen den Klub der United-Legenden

Pikant: Mit dem von den 5 United-Legenden Nicky Butt, Ryan Giggs, Paul Scholes sowie Gary und Phil Neville unterstützten Überflieger Salford City steht man in der Liga einer Filiale des „großen“ Manchester United gegenüber. Das Derby am kommenden Samstag – gut 26 Autominuten von Old Trafford entfernt – steht somit unter besonderen Vorzeichen.

Mit dem Investment des Red Bull-Konzerns in Salzburg begann 2005 auch im österreichischen Fußball eine neue Ära. Nachdem Austria Salzburg, UEFA-Pokal-Finalist 1994, durch den RB-Einstieg seinen Startplatz in der Bundesliga verloren hatte, war auch in der Mozartstadt ein schwieriger Neubeginn fällig. Die „neue Austria“ hielt an den traditionellen Vereinsfarben Violett und Weiß fest und stieg 2015 in die zweitklassige „Erste Liga“ auf, die man aber nach einem Insolvenzverfahren und € 1,4 Mio. Verbindlichkeiten 2016 wieder verlassen musste. Heute spielen die Violetten in der Regionalliga West.

HSV-Fans: Angst vor dem „Event- und Kapitalmonster“

Eines der jüngeren Mitglieder in der Allianz der Fan-Vereine kommt aus Hamburg. Die Ausgliederung der HSV-Profiabteilung in eine eigene Kapitalgesellschaft (Mai 2014) war einigen eingeschworene Anhängern des Bundesliga-Dinos zu viel. Ihre Motivation erklären sie auf der HFC-Homepage: „Der moderne Profifußball hat sich immer mehr entfremdet und entwickelt sich zu einem Event- und Kapitalmonster.“ Die Folge: 2015 wurde der HFC Falke, dessen Name auf den HSV-Gründerklub FC Falke 06 zurückgeht, aus der Taufe gehoben. Der HSV-Fanverein hat am Rudi-Barth-Sportplatz im Stadtteil Stellingen, nur 2 Kilometer vom Volksparkstadion entfernt, eine Heimstätte gefunden – und spielt „noch“ in der Kreisliga.

Fans des AFC Wimbledon

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