Sucht man in der jüngeren Vereinshistorie von Hertha BSC nach richtig guten Entscheidungen, landet man vor einem leeren Blatt Papier. Mit einer einzigen Ausnahme: Fabian Reese. Der Neuzugang von Holstein Kiel hat schon jetzt alle Erwartungen übertroffen (alle Wetten zur 2. Liga). Und könnte dennoch schon im Sommer wieder weg sein – weil er zu gut ist für die alte Dame!
300 Windhorst-Millionen sinnfrei verballert, mit einer Mannschaft aus der Bundesliga abgestiegen, die vorm Potenzial der Einzelspieler her um Europa hätte mitspielen müssen und den direkten Wiederaufstieg aus der 2. Liga schon zum Winter verspielt – bei der Hertha lief in den letzten Jahren eigentlich alles schief, was schieflaufen konnte. Mit einer Ausnahme: Fabian Reese
Auf Schalke ausgebildet
Der Außenstürmer ist der beste Neuzugang der Berliner in den letzten 10 Jahren. Sportlich ist er eine Klasse besser als seine Mitspieler. 10 Tore und 11 Vorlagen in 23 Pflichtspielen in dieser Saison sprechen eine deutliche Sprache für den in Kiel geborenen Außenstürmer, der in seiner Karriere bereits ganz schön rum kam. Über seinen Heimatverein Holstein Kiel ging es ins Nachwuchsleistungszentrum von Schalke 04, wo er auch seine ersten Bundesligaminuten hatte, sich aber nicht dauerhaft durchsetzen konnte.
2. Liga statt Bundesliga
Nach Leihen in die 2. Liga zum Karlsruher SC (Abstieg 2017) und Greuther Fürth wechselte er im Januar 2020 zurück an die Förde, wo er sich schnell als Stammspieler etablierte. 2021 scheitere er mit den Störchen erst in der Relegation am Bundesligaaufstieg. Nach einer überragenden Saison 2022/23 mit 11 Toren und 10 Vorlagen standen die Bundesligaklubs bei ihm Schlange und er entschied sich früh für Hertha BSC. Von dem dann folgenden sportlichen Einbruch samt Abstieg wurde auch er überrascht, doch er stand zu seinem Wort und wollte alles dafür geben, mit Hertha den Betriebsunfall sofort zu bereinigen.
Reese der „Emotional Leader“ der Hertha
Doch die Situation bei Hertha ist derma0ßen verfahren, dass ein – selbst noch so guter Spieler – daran nichts ändern kann. Seinen unbedingten Willen, jedes Spiel gewinnen zu wollen, merkt man ihm in jeder Minute auf dem Platz an, längst ist er der „Emotional Leader“ der Hertha. Und obwohl erst ein paar Monate da, auch schon der Ersatzkapitän. Für die Fans ist er eine der ganz wenigen Identifikationsfiguren in diesem Verein, der zu lange auf vermeintlich hochbegabte Söldner gesetzt hatte.
Wahl fiel bewusst auf Berlin als Stadt
Reese fühlt sich im Verein wohl und vor allem auch in der Stadt Berlin. Gemeinsam mit seiner Freundin, einer Mode-Studentin, genießt er die Vorzüge der Großstadt und des alternativen Lebensstils dort. Gleich zum Trainingsauftakt bei der Hertha kam er mit lackierten Fingernägeln, um ein Zeichen für Offenheit und Diversität zu setzen.
Fabian Reese auch sozial engagiert
Ob es der Hertha gelingen wird, seinen Volltreffer über den Sommer hinaus an der Spree zu halten, wenn der Wiederaufstieg nicht gelingt, wonach es aussieht, darf bezweifelt werden. Längst hat er die Manager der halben Bundesliga zu Reese-Fan-Boys gemacht. Doch ganz so einfach wird seine Verpflichtung wohl nicht werden, denn Reese bewies, ein etwas anderer Profi zu sein, der über den Tellerrand hinaus schaut und dem auch andere Dinge wichtig sind im Leben. Sein Engagement gegen Gewalt gegen Frauen für die Uno-Untergruppe UN Women Deutschland ist da nur ein Zeichen.