„Die Kleinen gegen die Großen“, „David gegen Goliath“, „Der Pokal hat seine eigenen Gesetze“, „In einem Spiel ist alles möglich“ – wir alle kennen diese Fußball-Weißheiten rund um den DFB-Pokal. Doch in wie weit kann der deutsche Pokal-Wettbewerb im europäischen Vergleich mithalten, wenn es um das Aufbegehren der Kleinen geht? Unsere Analyse spricht eine eindeutige Sprache.
Wann stand der letzte unterklassige Verein in einem DFB-Pokalfinale? Gut, das kann man noch wissen. Der MSV Duisburg war 2011 im Finale von Berlin gegen Reviernachbar Schalke 04 chancenlos (0:5). Aber wann gewann der letzte unterklassige Verein ein Finale? Dafür muss man mehr als 2 Jahrzehnte zurückgehen. Einige von uns waren noch nicht geboren, als Hannover 96 als damaliger Zweitligist 1992 den Pott in die niedersächsische Landeshauptstadt holte. Ein gewisser Jörg Sievers schrieb damals mit 2 gehaltenen Elfmetern gegen die Mönchengladbacher Karlheinz Pflipsen und Holger Fach Pokalgeschichte. Es ist bis heute das letzte erfolgreiche Pokalkapitel eines Zweitligisten. Dabei sind die 90er-Jahre noch die letzte Epoche, in der es regelmäßig unterklassige Klubs bis nach Berlin schafften. Zwischen 1992 und 1997 sogar insgesamt 5 Mal. Streng genommen war sogar der 1. FC Kaiserslautern bei seinem Cupsieg 1996 gegen den Karlsruher SC (1:0) schon Zweitligist. Wenige Tage zuvor waren Andreas Brehme und Co. aus der 1. Bundesliga abgestiegen. Mit den Amateuren der Hertha (1993) und Energie Cottbus (1997) standen sogar 2 Drittligisten im Endspiel.
Mit Beginn der 2000er-Jahre wurde der DFB-Pokal, wie das Berliner Olympiastadion, aufgemotzt, das Markenbild vereinheitlicht, die Vermarktung auf professionellere Füße gestellt und die Einnahmen der Vereine sukzessive erhöht. Kurzum: Es wurden größere Anreize für die ohnehin großen Vereine geschaffen, im Pokal weit zu kommen. Das Zitat vom „Kürzesten Weg in den Europapokal“ machte die Runde. Immer früher schieden die unterklassigen Klubs aus. Keiner der Goliaths wollte sich mehr die Butter vom Brot nehmen lassen. Seit 2000 schafften es nur noch 3 Underdogs ins Finale. Neben den erwähnten Duisburgern 2011 unterlagen auch Union Berlin 2001 im Heimfinale und Alemannia Aachen 2004 im Endspiel.
Apropos Underdogs. Arminia Bielefeld war im vergangenen Jahr kurz davor ins Finale einzuziehen. Im Halbfinale war der spätere Sieger VfL Wolfsburg allerdings 2 Nummern zu groß (0:4). Die Ostwestfalen sind aber eine von 10 unterklassigen Mannschaften, die es in den vergangenen 5 Jahren immerhin ins Viertelfinale des Pokals geschafft hat.
Damit liegt die Bundesliga zumindest in dieser Hinsicht weit vor den Italienern (1) und den Spaniern (3). Im FA Cup in England (11), gleichzeitig der älteste Fußballwettbewerb überhaupt, und im Coupe de France (15), haben es mehr Außenseiter in die Runde der letzten 8 geschafft.
Richtig deutlich werden die Unterschiede erst, wenn man die durchschnittliche Ligaplatzierung der Sieger vergleicht. So kann der französische Cup tatsächlich noch als realistischer Weg in den Europapokal für weniger privilegierte Klubs angesehen werden. Die Gewinner in Frankreich lagen am Ende einer Saison im Schnitt nur auf Platz 10. Logisch, dass damit auch der Gewinn des Doubles aus Meisterschaft und Pokal etwas unwahrscheinlicher wird. Während bei unseren Nachbarn in den letzten 15 Jahren nur 3 Teams das Double gewannen, holten mit Bayern München (8 Mal), Werder Bremen (1 Mal) und Borussia Dortmund (1 Mal) insgesamt 10 Mannschaften das Double. Entsprechend hoch ist auch die durchschnittliche Platzierung der DFB-Pokalsieger (3. Platz). Der schlechtplatzierteste Pokalsieger seit 2000 war Schalke 04 2011 auf Rang 14. Auch in den übrigen Ländern ist das Double nicht selbstverständlich, wenn man sich vorstellt, dass beispielsweise Juventus Turin als italienischer Serienmeister seit 2000 nur 1 Mal im Pokal erfolgreich war. In Spanien gewannen zwischen 2000 und 2008 weder Real Madrid noch der FC Barcelona die Copa del Rey.
Die Dominanz der Bayern seit dem Jahr 2000 (8 Doubles) bekommt einen völlig neuen Geschmack wenn man beachtet, dass als nächstes Schwergewicht in Europa nur der FC Barcelona mehr als einmal die Kombination aus Pokal und Meisterschaft gewonnen hat (2009 und 2015). Olympique Lyon, OSC Lille, Paris St. Germain aus Frankreich, Arsenal und Chelsea aus England sowie Lazio Rom, Inter Mailand und Juventus Turin gelang das nur je einmal seit der Jahrtausendwende.
Weiteres Indiz für die Überlegenheit großer deutscher Klubs im Pokalwettbewerb: In den letzten 15 Jahren gab es nur 6 verschiedene Sieger in Deutschland. Lediglich der 1. FC Nürnberg im Jahr 2007 geht als Überraschungssieger durch. In den anderen Ländern schafften es beispielsweise der FC Portsmouth und Wigan Athletic in England und Espanyol Barcelona (2 Mal), Real Saragossa (2 Mal), Betis Sevilla oder Real Mallorca in Spanien zu Titelehren.
Am 9. und 10. Februar steht das Viertelfinale im DFB-Pokal an. Mit dem VfL Bochum (gegen Bayern) und dem 1. FC Heidenheim (gegen Hertha) haben es immerhin 2 Zweitligisten unter die letzten 8 geschafft. Werder Bremen, Bayern München und Borussia Dortmund vertreten die Titelträger aus diesem Jahrtausend. Geht es nach den Buchmachern, wird am Ende wieder ein alter Bekannter triumphieren. Quotentechnisch führen die Bayern (1.70) das Rennen um den Pokal vor dem BVB an (4.50). Das nächste Double liegt für den Rekordmeister- und Pokalsieger also in der Luft. Demnach behält der Pokal in Deutschland seine eigenen Gesetzte – zugunsten der üblichen Verdächtigen.