Der Bann ist gebrochen! Nach zuvor 4 Final-Niederlagen in Serie hat der BVB endlich wieder einen Titel gewonnen. Doch das DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt war knapper als erwartet – auch, weil BVB-Trainer Thomas Tuchel wiederholt mit Personalentscheidungen zu Spielbeginn daneben lag.
SGE-Trainer Niko Kovac schwärmte vor dem Spiel von seinem Gegenüber in höchsten Tönen:
„Fachlich ist er eine absolute Koryphäe. Er ist ein Genie, so wie er seine Mannschaft Woche für Woche einstellt und in verschiedenen Systemen spielen lässt.“
Natürlich ist Kritik nach einem gewonnenen Titel Fehl am Platz, aber der Trainer von Borussia Dortmund stand sich selbst im Weg. Dass Thomas Tuchel ein Experte auf seinem Gebiet ist, das wissen 90% aller Fußball-Fans. Aber wieso muss eines der größten deutschen Trainer-Genies in einem Alles-oder-Nichts-Spiel wieder einmal Wege beschreiten, die für jeden Außenstehenden unergründlich sind?
Champions League Viertelfinale, Rückspiel. Der BVB verlor den ersten Vergleich gegen Monaco mit 2:3. Dass die Partie wegen des Bomben-Attentats einen Tag vorher gar nicht erst hätte angepfiffen werden dürfen, steht auf einem anderen Blatt. Tuchel bietet im Rückspiel gegen die Monegassen ein 3-4-2-1-System auf. Shootingstar Ousmane Dembele und Christian Pulisic, der im Hinspiel in Halbzeit 2 eine überragende Partie ablieferte, sitzen zunächst auf der Bank. Stattdessen spielt Erik Durm, der vor dem Spiel wochenlang wegen einer Verletzung ausfiel. Warum? Das weiß nur Thomas Tuchel! Bereits nach kurzer Spielzeit korrigiert er seinen Fehler und nimmt Durm von Platz. Auch Dembele wird eingewechselt und bereitet prompt mustergültig ein Tor vor.
Pokalfinale 2017. Der BVB ist gegen Eintracht Frankfurt der große Favorit. Das Problem: Mit Julian Weigl fällt die Passmaschiene des Dortmunder Spiels aus. War das in der Saison der Fall, ließ Tuchel für gewöhnlich eine Doppelsechs aus Raphael Guerreiro und Gonzalo Castro spielen. Aber im Finale wählt er eine andere Variante. Statt auf altbewährtes zu setzen, bringt der Trainer Matthias Ginter – das komplette Gegenteil von Weigl: Wenig Ballsicher, technisch eher limitiert und ein Akteur, der andere Qualitäten hat als ein Spiel zu lenken und den Aufbau einzuleiten! Auch Pulisic sitzt wieder einmal nur draußen, dafür aber darf Marcel Schmelzer spielen, der die ganze Woche zuvor verletzungsbedingt beim Training pausieren musste. Auch diese Entscheidung hätte so wohl niemand erwartet. Resultat: Zur Pause steht es nur 1:1 – und das ist aus BVB-Sicht noch glücklich.
Nuri Sahin, den Tuchel zuvor selbst als Weigl-Ersatz angepriesen hatte, ist erst gar nicht im Kader. Eine Entscheidung, die selbst Kapitän Schmelzer nicht nachvollziehen konnte:
„Mich hat es sehr geschockt. Ich verstehe es einfach nicht! Wenn ein Spieler wie Julian Weigl ausfällt, dann ist der Einzige, der das mindestens genauso gut kann, Nuri Sahin. Die Erklärung dafür muss der Trainer geben.“
Seinen Aufstellungsfehler korrigierte Tuchel in der Halbzeit-Pause. Aber wieso wählte der Taktik-Fuchs eine Aufstellung, die in Mannschafts- und Fanteilen strittig war und fast ins Verderben geführt hätte? Eine Frage, auf die im BVB-Lager keiner eine Antwort hat. Weder Fans, noch Spieler oder die Bosse. Fakt ist: Nachdem mit Gonzalo Castro zur Pause ein spielstarker Mittelfeldspieler eingewechselt wurde, war das BVB-Spiel endlich so dominant wie erwartet. Auch Pulisic war eine Bereicherung.
Zum Glück dürfen beim Fußball Wechsel getätigt und Aufstellungsfehler dadurch behoben werden. Das Unbegreifliche ist aber, warum ein guter Trainer wie Tuchel (wiederholt) falsche Entscheidungen traf. Ist es dieser umbedingte Drang, mit außergewöhnlichen Mitteln die eigene Einzigartigkeit und das vorhandene Fußball-Know-How nochmal herauststellen zu wollen? Liebt er unpopuläre Entscheidungen? Im Endeffekt hat er mit dem Titel viel richtig gemacht, aber er hätte es wesentlich einfacher haben können. So langsam wird vielen Fans allerdings vielleicht klar, warum Tuchel unter Watzke (und angeblich auch Team-Intern) einen schweren Stand hat.