Dass Hasan Ismaik den Zweitligisten TSV 1860 München mittelfristig „zu einem der größten Vereine Europas“ machen will, ist längst bekannt. Bisher lief es sportlich aber alles andere als berauschend, seitdem der 39-jährige Mäzen die Münchner Löwen vor einigen Jahren vor der Insolvenz rettete und seitdem als Aufsichtsratsvorsitzender die Entscheidungen im Klub trifft. Nach einer enttäuschenden Hinserie in der laufenden Saison gab es jetzt erneut einige Veränderungen im Vereinsgefüge.
Seit dem heutigen Freitag steht fest: Nach der Verpflichtung des portugiesischen Trainers Vitor Pereira (zuletzt Fenerbahce Istanbul) hat Ismaik auch seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge von Geschäftsführer Thomas Eichin bekommen, den er Anfang Dezember entlassen hatte. Der 53-jährige Ian Ayre, der seit 2011 Geschäftsführer des englischen Spitzenklubs FC Liverpool war und unter anderem 2015 Jürgen Klopp zu den Reds lotste, wird laut Angaben von 1860 „in naher Zukunft“ das Amt übernehmen. Anders als ursprünglich geplant bleibt Ayre nicht bis Saisonende in Liverpool, sondern beendet seine Tätigkeit bereits Ende Februar.
Aber kann Ayre das Chaos von Ismaik schnell in Ordnung bringen? Oder ist auch der Engländer nicht dazu in der Lage, die oft fragwürdigen Aktionen des jordanischen Investors in den Griff zu bekommen? Klar ist: Für Ayre wird es eine Mammutaufgabe. Sportlich steht 1860 auf Platz 13, hat nur drei Zähler Vorsprung auf die Abstiegszone. Kurzfristig geht es nicht um den Aufstieg, sondern um den Klassenerhalt. Intern brodelte es in der letzten Zeit immer wieder. Nicht nur Geschäftsführer Thomas Eichin bekam von Ismaik die volle Breitseite ab und die Entlassungspapiere auf den Tisch gelegt, sondern auch 1860-Strategiechef und Eichins Geschäftsführer-Kollege Raed Gerges wurde abberufen. Bei den Fans machte sich Ismaik ebenfalls unbeliebt, als er die zu häufige Vergabe kostenloser Tickets als einen Mitgrund für die prekäre finanzielle Situation nannte.
Was spricht nun dafür, dass Ayre 1860 umkrempeln und Hasan Ismaik in vielerlei Hinsicht zur Vernunft bringen kann? Ayre hat seine Fähigkeiten in Liverpool eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die Reds begeistern die Fans unter Klopp wieder mit attraktivem Fußball, mischen in der Spitzengruppe mit und sorgen mit Vertragsverlängerungen wie jüngst mit Leistungsträger Philippe Coutinho für Euphorie im gesamten Verein. Wieso sollte der Liverpool-Boss nicht auch die Münchner Löwen wieder in die Erfolgsspur führen und seinen Teil dazu beitragen, dass die Rückkehr in das Oberhaus gelingt?
Dagegen spricht, dass auch Personen wie Thomas Eichin, der zuvor immerhin fast drei Jahre Geschäftsführer Sport beim Bundesligisten SV Werder Bremen war, Ismaiks Machenschaften zum Opfer fielen und selten auf einen Nenner mit ihm kamen. Fakt ist auch, dass ein erfolgreicher Funktionär von einem englischen Spitzenteam nicht zwangsläufig auch in Deutschland durchstartet. Wir erinnern uns an Frank Arnesen, der im Sommer 2011 vom FC Chelsea zum Hamburger SV kam und im gesamten Verein sowie bei den Fans für Aufbruchsstimmung sorgte. Zwei Jahre später war seine Zeit bei den Rothosen schon wieder vorbei. Die erhoffte Verbesserung der sportlichen Situation blieb aus.
Es bleibt also abzuwarten, was Ayre beim TSV 1860 München tatsächlich bewirken kann. Auf den Engländer kommt definitiv viel Arbeit zu. Ein Selbstläufer wird es sicher nicht.