Im durchkommerzialisierten Profifußball ist wenig Platz für Romantik, Lokalpatriotismus und Sentimentalitäten. Jeder Spieler muss im finanziellen Bereich das Beste aus seiner kurzen Karriere herausholen. Da wird aufgrund eines hochdotierten Vertrags auf einmal ein Klub zum neuen Arbeitgeber, von dem man als Kind niemals ein Trikot angezogen hätte. Aber es gibt auch Ausnahmen – Spieler, die aus Verbundenheit und Liebe für den Klub ihrer Geburtsstadt auflaufen. Für diese Akteure steht der Heimatverein an erster Stelle.
Energie Cottbus sorgte am 6. April 2001 für ein Novum in der Bundesliga (alle Bundesliga Wetten). Die Lausitzer hatten im Spiel gegen den VfL Wolfsburg (0:0) keinen einzigen deutschen Spieler in der Startaufstellung. Der englische Top-Klub FC Arsenal ging im Februar 2005 sogar noch einen Schritt weiter. Gegen Crystal Palace (5:1) stand kein einziger Brite im 16-Mann-Aufgebot der Gunners. Das gab es zuvor in der 133-jährigen Geschichte des englischen Fußballs noch nie.
Was damals noch einen Schrei der Entrüstung nach sich zog, ist heutzutage keine Erwähnung mehr wert. Der Fußball ist zu einem mächtigen, globalen Wirtschaftszweig geworden, in dem Spieler aus allen Ecken der Welt zusammen für den sportlichen und finanziellen Erfolg eines Klubs auf dem Rasen stehen. Der ehemalige Arsenal-Coach Arsene Wenger sagte dazu einmal: „Ich schaue nicht in die Pässe meiner Spieler, sondern auf ihre Qualitäten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Business statt Identifikation
Trotzdem bleibt bei der globalen Vernetzung und das Zusammenkaufen von Multi-Kulti-Mannschaften ein Punkt auf der Strecke, der auch vielen Fans ein Dorn im Auge ist: Die Identifikation mit dem jeweiligen Verein und dessen Stadt. Für das schnelle Geld werden gültige Verträge gekündigt, Treuebekundungen gebrochen und stattdessen wird das nächste Vereinswappen geküsst. Kein Wunder, dass die Anhänger nur noch wenigen Spielern die Liebe zum Klub abkaufen – vom Interesse an der Stadt und dessen Umfeld ganz zu schweigen.
Meine Stadt, mein Verein
Das war zur Anfangszeit der Bundesliga noch ganz anders. Damals bestanden die Mannschaften fast ausschließlich aus Spielern, die in der Stadt oder dessen Umland geboren wurden. Der Verein war mehr als nur ein Arbeitgeber, die Stadt mehr als nur ein Wohnort. Fritz und Ottmar Walter in Kaiserslautern, Uwe Seeler in Hamburg, „Katsche“ Schwarzenbeck in München, Jupp Heynckes in Mönchengladbach, Hans Schäfer in Köln, Michael Zorc in Dortmund – diese Spieler lebten den Klub in ihrer Heimatstadt und wurden zu Legenden. Noch heute sind sie jedem Fan ein Begriff. Ihre Namen fallen oft in Zusammenhang mit Vorbildfunktion, Treue und Heimatliebe.
Bundesliga auf gleichem Stand wie vor 3 Jahren
Aktuell gibt es immer weniger Lokalpatrioten in den beiden höchsten deutschen Profiligen. In den 18 Bundesligaklubs stehen 21 Spieler im Verein ihrer Geburtsstadt im Aufgebot. Das ist exakt der gleiche Wert wie in der Saison 2016/17. Mit 7 Akteuren stellt Hertha BSC mit Abstand die meisten gebürtigen Spieler aus der eigenen Stadt. Dagegen haben RB Leipzig, Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach, die TSG Hoffenheim, der VfL Wolfsburg, der SC Freiburg und Fortuna Düsseldorf nicht einen einzigen Kicker aus der eigenen Stadt im Profiteam unter Vertrag.
Viele Local Player in Köln und bei St. Pauli
In der 2. Bundesliga (alle 2. Bundesliga Wetten) setzen die Klubs vermehrt auf Spieler mit lokaler Verbundenheit. 35 Akteure tragen in dieser Saison die Trikots ihrer Geburtsstadt. Die einzigen Ausnahmen sind Dynamo Dresden, der VfL Bochum, der 1. FC Heidenheim, Greuther Fürth und der 1. FC Magdeburg. Besonders unsere beiden Partnervereine 1. FC Köln und FC St. Pauli legen großen Wert auf die Identifikation zwischen Spielern, dem Klub und der Stadt. In beiden Teams stehen 12 Kicker im Aufgebot, die in Köln (7) bzw. Hamburg (5) geboren wurden. Da kann im Unterhaus lediglich Union Berlin (7) mithalten.
Do ming Stadt am Rhing
Das Kölsche Lebensgefühl ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Der Dom, Karneval, der liebenswerte Dialekt und natürlich der FC – all diese Sachen sind sehr eng miteinander verbunden. Für einen gebürtigen Kölner ist es das Größte, im Trikot des FC aufzulaufen. Den Traum haben viele Domstädter, erfüllen können ihn sich aber nur die wenigsten. Einer von ihnen ist Torwart Timo Horn. Der 25-Jährige ist seit 2002 im Verein. Trotz lukrativer Angebote aus dem In- und Ausland blieb er seinem Klub treu. Auf den Grund angesprochen sagt Horn:
„Wenn der FC einen einmal gepackt hat, lässt er ihn nicht mehr los.“
Horn durchlief seit 2002 sämtliche Jugendmannschaften des FC, lediglich von 1999 bis 2002 kickte er für Kölner Stadtklub SC Rondorf. Vom FC-Virus wurde er aber bereits als Kind infiziert: „Ich war immer schon FC-Fan. Schon als kleiner Junge habe ich die Spiele verfolgt, meistens mit meinem Vater im Stadion.“ Mittlerweile stand der Keeper in über 230 Profipartien für seinen Verein zwischen den Pfosten. Noch immer erfüllt es ihn mit Stolz, das Trikot mit dem Geißbock zu tragen. Für ihn werden Stadt und Verein „für immer in meinem Leben fest verankert sein. Das ist einfach mein zu Hause, wo ich mich total wohl fühle.“
Zurück zu den Wurzeln
Wie Horn ergeht es auch Mannschaftskollege Marco Höger. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen den beiden Spielern. Während Horn noch nie das Trikot eines anderen Klubs trug, schnürte Höger bereits die Stiefel für Alemannia Aachen und Schalke 04. Seit 2016 ist er zurück in seiner Heimatstadt. Obwohl der 29-Jährige im letzten Jahr den bitteren Gang in Liga 2 antreten musste, hat er diesen Schritt nie bereut. Ganz im Gegenteil. Noch heute freut er sich über jedes Spiel, welches er im Dress seines Klubs bestreiten darf:
„Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das FC-Trikot tragen zu dürfen, wenn man von Kindesbeinen an FC-Fan war.“
In seiner Kindheit schwärmte Höger vor allem für einen Österreicher, der viele Tore für Köln erzielte: „Ich habe damals Toni Polster angehimmelt, wie kleine Kinder das nun mal machen. Wer die Tore schießt, ist der Held.“ Höger selbst erzielte bislang zwar erst ein einziges Profitor für den FC, als defensiver Mittelfeldspieler hat er allerdings vordergründig andere Aufgaben zu erledigen. Wenn es nach ihm geht, hat er in Zukunft noch oft genug die Gelegenheit, sein Trefferbilanz aufzubessern: „Mein Ziel ist es, so lange mich die Füße noch tragen für meinen Verein zu spielen.“
Über Umwege den Traum erfüllt
Ein weiterer Ur-Kölner im Trikot des Zweitligaspitzenreiters ist Marcel Risse. Der Mittelfeldspieler wuchs in Köln-Kalk auf und ist seit Kindesbeinen an Fan des FC. Schon früh packte ihn der Virus seines heutigen Klubs:
„Ich bin fast täglich nach Müngersdorf gelaufen.“
Über die Stationen Bayer Leverkusen, 1. FC Nürnberg und FSV Mainz 05 schaffte er 2013 den Sprung zu seinem Traumverein. Egal ob Bundesliga oder 2. Liga – Risse gibt immer alles für den Klub seines Herzens. Er weiß, wie wichtig den Menschen der FC ist und er ist stolz darauf, als gebürtiger Kölner Teil dieses Vereins zu sein. Was Risse in seiner freien Zeit macht, wenn er seine Schuhe irgendwann Mal an den Nagel hängt, weiß er bereits jetzt schon: „Wenn ich kein Spieler mehr bin, werde ich wieder großer FC-Fan und kann dann wieder mehr auf der Tribüne meckern als auf dem Spielfeld (lacht).“
Der etwas andere Klub
Was der FC für Köln ist, ist der FC St. Pauli für Hamburg. Beim FCSP ticken die Uhren schon immer anders im Vergleich zu den restlichen Profivereinen im deutschen Fußball. Darauf sind Spieler, Verantwortliche und Fans sehr stolz. Die Nähe zum Kiez, die linkspolitische Einstellung, der große Zusammenhalt zwischen dem Verein und seinen Anhängern über dem Sport hinaus – der FC St. Pauli ist einzigartig. Der Klub verkörpert viel mehr als Erfolg auf dem Spielfeld. Dieses Gefühl sollen auch die Spieler ausstrahlen. Nicht umsonst setzen die Hanseaten auf eine hohe Identifikation der Akteure mit dem Verein und der Stadt.
Das Millerntor als Faustpfand
Jan-Philipp Kalla ist gebürtiger Hamburger. Er bekennt sich seit Jahren zu seinem Verein. Nicht HSV, sondern FC St. Pauli – eine Entscheidung, die jeder, der in der Stadt geboren wird, irgendwann treffen muss. Und immer mehr Hanseaten zieht es zum Klub mit der Piratenflagge. Für Kalla, der seit 2003 das braune Trikot trägt, keine große Überraschung. Besonders das Flair des berüchtigtem Stadion am Millerntor hat es dem 32-Jährigen angetan:
„Für mich ist der Einlauf auch nach 100 Jahren noch ein purer Gänsehautmoment.“
Wer als Spieler einmal die Stimmung im Stadion der Kiezkicker erlebt hat, kann sich nur schwer davon lösen – erst Recht nicht als Hamburger Jung. Geht es nach Kalla, muss er das als aktiver Spieler auch nie tun. Am liebsten würde er seine gesamte Karriere beim FC St. Pauli verbringen: „Das wäre natürlich eine Bilderbuch-Karriere: Hier anzufangen und auch aufzuhören. In ein paar Jahren schauen wir mal, ob mir das vergönnt ist oder nicht.“ Und auch danach möchte er seinem Verein am liebsten treu bleiben: „Ich habe es geschafft, sehr lange in einem Verein in meiner Heimatstadt zu arbeiten und das kann ich mir auf in Zukunft so vorstellen.“ Als gebürtiger Hamburger während der Karriere und im Anschluss für den FC St. Pauli arbeiten – der Traum vieler Hanseaten.
Auch wenn der professionelle Fußball im Endeffekt nur wenig Wert auf totale Identifikation legt, gibt es Klubs wie den 1. FC Köln oder den FC St. Pauli, die sich expliziet um die Söhne der Stadt bemühen. Und Spieler wie Horn, Höger, Risse und Kalla, die Stolz sind, das Trikot ihres Heimatvereins zu tragen. In Zeiten des Söldnertums und der Ich-AGs ist das nicht nur für viele Fans eine sehr positive Sache. Die Nähe des Fußballs zum Volk ist noch nicht ganz verloren gegangen …
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