Wer in den letzten Tagen die Europapokal-Auslosungen verfolgt hat, vermisst bestimmt den ein oder anderen großen Namen. Allan voran Ajax Amsterdam. Erstmals seit über 50 Jahren weder in Königsklasse noch in der Europa League dabei. Wir reden tatsächlich vom gleichen Team, das noch im Mai mit berauschendem Offensivfußball ins EL-Endspiel gestürmt war. Wie kam es zu diesem traurigen Absturz innerhalb von 3 Monaten?
Man könnte es sich leicht machen: Der Fußball ist und bleibt halt ein schnelllebiges Geschäft. Doch eine solchen Kurswechsel in einer derart kurzen Zeitspanne, lässt sich schwerlich mit nur dieser Floskel erklären. Amsterdam im Mai 2015: Ganz Europa schwärmte wieder von der Ajax-Schule. Dafür standen Bertrand Traoré, Kasper Dolberg oder der 24-jährige Kapitän Davy Klaassen.
Im Finale (0:2 gegen Manchester United) wurde vom Kommentator gefühlt alle 2 Minuten betont, wie blutjung dieses Team ist. Da standen 22,8 Jahre gegenüber der cleveren Mourinho-Elf, die es im Schnitt auf 27,5 Jahre brachte. Der allgemeine Tenor trotz der Niederlage: Dieses Ajax hat eine glänzende Zukunft vor sich.
Trainer Keizer: Die großen Fußstapfen des Peter Bosz
Ende August ist davon wenig geblieben. In den Playoffs zur Champions League scheiterte der 33-fache niederländische Meister am von Lucien Favre trainierten OGC Nizza (1:1/2:2). Statt dem „Voetball total“ heißt es nach Fehlstart und Europa-Aus (0:1/2:3 gegen Rosenburg BK) nun Blamage total. Ob es soweit gekommen wäre, wenn Peter Bosz weiterhin die Geschicke bei Ajax Amsterdam leiten würde? Viele Fans glauben nicht.
Der Erfolgscoach hatte den 33-maligen niederländischen Meister bekanntlich in Richtung Borussia Dortmund verlassen – im Unfrieden, wie sich später herausstellen sollte. Im Streit um eine mögliche Neubesetzung des Trainerteams hatte sich die Chefetage auf die Seite von Dennis Bergkamp und Hennie Spijkerman geschlagen. Vereinslegenden wie Bergkamp, Edwin van der Sar (Vorstand) und Präsident Marc Overmars halten zusammen.
Das musste Peter Bosz damals einsehen, heute sieht er sich wohl bestätigt. Mit ihm wäre der Ausverkauf im Sommer vielleicht etwas geringer ausgefallen. Spieler wie Davinson Sánchez (Tottenham Hotspur) gingen von Bord, weil sie nicht so recht an die mittelfristige Perspektive unter Bosz-Nachfolger Marcel Keizer geglaubt hatten.
Es droht ein heißer Sommerschlussverkauf
Der vorherige U23-Trainer muss nun am Sonntag bei VVV Venlo mit einem klaren Sieg Wiedergutmachung für etwas betreiben, was nicht mehr zu ändern ist. Das Ajax Amsterdam – abgesehen von einer einjährigen Sperre seit 1965 durchgängig im Europapokal dabei – die Qualifikation verpasst hat, wird immer und ewig mit dem Neffen der verstorbenen Ajax-Ikone Piet Keizer in Verbindung gebracht.
Intern liegt einiges im Argen. So denkt auch Mittelfeldmann Hakim Ziyech laut über einen Abschied nach. „Der Verein hat nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt“, äußerte sich der 24-Jährige in einem TV-Interview. Zuletzt blitzte der französische Meister AS Monaco mit einer 50 Mio. €-Offerte für das dänische Sturmjuwel Kasper Dolberg ab.
Wir glauben: Beendet scheint der Ausverkauf bei Ajax noch lange nicht nicht. Der Klub muss wohl bis zum Deadline-Day (31. August) um Spieler wie Dolberg oder den erneut in die DFB-Nationalmannschaft berufenen Amin Younes zittern.