Ein viel schlechteres Urteil konnte man über den zweitteuersten Kader der 2. Bundesliga kaum fällen. „Eine gute Zweitliga-Mannschaft – nicht mehr, nicht weniger“, titelte BILD Hamburg am Donnerstag über den HSV.
Eine Einschätzung, die die ganze Tristesse in Hamburg im schwarz-weiß-blauen Lager nach der 0:2-Derbypleite gegen den FC St. Pauli zusammenfassen soll. Die HSV-Verantwortlichen um Sport-Vorstand Jonas Boldt (38) nehmen die Kritik in diesem Fall keine Nummer kleiner. „Wir müssen den fußballerischen Ansatz suchen“, forderte Boldt, „wir werden nicht mit destruktivem Fußball in 34 Spielen über Standards und ein bisschen Glück erfolgreich sein können. Das nehmen die Zuschauer hier auch nicht an.“
Hamburger SV 2019 und 2020: Minimalisten-Fußball ohne Spielfreude
Das ganz sicher nicht – wie die vergangene Saison gezeigt hat. Mit Minimalisten-Fußball und ungeachtet der nur 21 Heim-Tore aus 17 Spielen schien der HSV lange Zeit erfolgreich zu sein. Am 4. März 2019 gewann man am 24. Spieltag mit 1:0 gegen die SpVgg Greuther Fürth. Wer an diesem Montagabend im Hamburger Volksparkstadion mit dabei war, dachte an vieles. Aber sicher nicht daran, dass es bis zum 34. Spieltag der letzte Heimerfolg des HSV im „Unterhaus“ bleiben würde.
Der Hamburger SV ist nicht weiter als vor einem Jahr
Zu diesem Zeitpunkt sah die erste Zweitliga-Saison des Hamburger SV in seiner ruhmreichen Vereinsgeschichte trotz des Ergebnis-Pragmatismus wie gemalt aus. Tabellenzweiter hinter dem 1. FC Köln, 47 Punkte und 4 Zähler Vorsprung auf den 4. Rang und den FC St. Pauli. Die Kiez-Kicker deklassierte man eine Woche später mit 4:0 im eigenen Millerntor-Stadion. Kurioserweise trug gerade dieses Spiel den Geist des Abwärtstrends in sich. Ein Jahr später droht dem HSV das gleiche Szenario. Allerdings hat die seit Sommer 2019 von Dieter Hecking (55) trainierte Mannschaft 6 Punkte weniger auf dem Konto als im Vorjahr. Erstmals im Profifußball hat der HSV beide Derbys gegen Pauli verloren. 6 Zähler Rückstand auf Tabellenführer Arminia Bielefeld und nur 3 Punkte vor dem Tabellenvierten 1. FC Heidenheim, bei dem man noch auswärts ran muss, haben die Hanseaten in eine gefährliche Situation gebracht.
Verletzungssorgen und Formschwankungen trüben das HSV-Gesamtbild
Die Formschwankungen und die zahlreichen verletzten Spieler könnten den Hamburger SV erneut den Wiederaufstieg kosten! Nachdem sich mit Adrian Fein gegen Karlsruhe (2:0) ein Leistungsträger verletzt hatte (Jochbeinbruch), musste auch Jeremy Dudziak beim 1:1 in Hannover lädiert vom Platz geführt werden. Diagnose: Innenband-Teilabriss und Dehnung des Kreuzbandes. Dudziak wird ca. 6 Wochen fehlen.
HSV-Leader Aaron Hunt „wie aus der Zeit gefallen“
Die Probleme ziehen sich beim HSV durch alle Mannschaftsteile. Keeper Daniel Heuer Fernandes lässt zu viele Gegentreffer aus der Kategorie „Haltbar“ zu. In der Innenverteidigung ist Rick van Drongelen mit zu vielen verlorenen Zweikämpfen kein Stabilisator. Im Mittelfeld offenbart Routinier Aaron Hunt (33) nach seiner Rückkehr zu viele läuferische Defizite. „Aaron Hunt wirkte bei seinem Startelf-Debüt in diesem Kalenderjahr wie aus der Zeit gefallen“, hieß es im Kicker-Sportmagazin am Montag nach der Pleite gegen St. Pauli. Louis Schaub (25), Winter-Leihgabe vom 1. FC Köln, ist in der Offensive in 5 Spielen noch ohne Tor.
„Wir sind jetzt in der Rolle des Verfolgers“, mahnt HSV-Coach Dieter Hecking zur Besonnenheit, „aber wir werfen deswegen jetzt nicht alles über den Haufen.“