Zum 2. Mal nach 2015 müssen die Münchner Löwen in die Relegation – erneut nach einer Saison mit einer Fülle an Fehlern, Fehlbesetzungen, Peinlichkeiten und Irrtümern. Die Analyse zeigt: 1860 fehlt es auf- und außerhalb des Rasens an Struktur.
Mit leerem Blick stellte sich Stefan Aigner nach der 1:2-Pleite von 1860 München in der Heidenheimer Voith-Arena den Fragen von Sky. „Kurz vor Schluss kriegen wir so ein Scheißding, das passt zu dieser Saison“, schimpfte der Ur-Löwe, „es passt, denn wenn wir führen, haben wir Angst, einen Vorsprung über die Zeit zu bringen.“
Führung für die Löwen? Das muss nichts heißen!
Für Aigner selbst war besonders unangenehm, musste er im letzten Jahr in Diensten von Eintracht Frankfurt ebenfalls nach einem Last-Minute-Gegentor in Bremen (0:1) mit den Hessen in die Relegation. Mit seiner These, wonach die Mannschaft, die in Heidenheim in den Schlussminuten eine 1:0-Führung herschenkte, keinen Vorsprung verwalten kann, liegt Aigner richtig. In Sandhausen etwa reichte am 12. Spieltag das zwischenzeitliche 2:1 nicht zum Sieg, gegen Lautern (1:1) war eine Woche später die 1:0-Führung zu wenig, ebenso im Hinspiel gegen Heidenheim bei gleichem Ergebnis oder auch am 23. Spieltag gegen den FC St. Pauli (1:2).
Harmlos in der Offensive, Lachnummer auf Führungsebene
Für Aigner wie auch für 1860 heißt es damit gegen Jahn Regensburg nun „Relegation, die 2.“. Wie 2015 holten die Löwen 36 Punkte, zeigten sich mit 37 Treffern in dieser Spielzeit allerdings noch zahnloser in der Offensive als vor 2 Jahren (41 eigene Tore). In der vergangenen Spielzeit genügten – bei nur 8 Siegen – 34 Zähler, um auf Platz 15 die 2. Liga zu halten. Ruhiger wurde es deshalb in Giesing nicht.
Im Gegenteil. Der wegen seiner ständigen Unruhe im Umfeld auch als „Komödienstadl“ (Transfermarkt.de) oder „HSV des Südens“ (BR2-Moderator und 1860-Fan Achim Bogdan) – nur beim Hamburger SV herrscht in Sachen Trainerentlassungen und Umbesetzungen eine ähnlich hohe Fluktuation wie in München – titulierte Deutsche Meister von 1966 legte in Sachen „Hire-and-Fire“ in dieser Saison so richtig los – mit heillosem Chaos auf der Führungsebene! Am 23. Juni 2016 wurde Sportchef Oliver Kreuzer gefeuert. Sein Nachfolger Thomas Eichin bezog sein Büro in München aber erst 5 Wochen nach seiner Berufung, ehe er im Dezember gehen musste. Der neue Trainer Vitor Pereira machte kurzerhand ohne Sportdirektor weiter. Der Portugiese ist der 3. Coach auf der Münchner Bank in dieser Saison, Kosta Runjaic musste im November nach nur 3 Siegen aus 13 Spielen seine Sachen packen, Daniel Bierofka übernahm interimsmäßig. Mit Sprüchen wie „Ich werde 1860 wieder in die 1. Bundesliga führen“ konnte der unnahbar wirkende Pereira nicht punkten. Wenig hilfreich auch die ständigen Einmischungen des mächtigen Investors Hasan Ismaik. Der Immobilien-Tycoon aus Jordanien schwadronierte martialisch von einer „Hinrichtung“ der Mannschaft beim 1:3 in Düsseldorf, neuen Stadion-Plänen, sperrte unliebsame Journalisten nach angeblichen „Lügenkampagnen“ aus und machte 1860 zum „Problemfall des deutschen Fußballs“ (DIE WELT). Auch die Inthronisierung des ehemaligen Liverpoolers Ian Ayre als neuem Geschäftsführer brachte keinen Erfolg.
„1860 hat gravierende Fehler gemacht“
„Die Außendarstellung der Löwen ist katastrophal“, sah 1860-Trainerlegende Karsten Wettberg – der heute 75-Jährige führte die Münchner 1991 in die 2. Liga – die Entwicklung in Giesing schon im November 2016 mit Sorge. Wettberg in einem Interview mit dem Donaukurier: „Mit Ivica Olic und Karim Matmour haben die Löwen gute Leute für die Offensive geholt. Und mit Stefan Aigner eine Identifikationsfigur des Klubs verpflichtet. Der Beginn der Saison ließ sich auch gut an. Dann wurden gravierende Fehler gemacht, nach dem Auswärtssieg in Nürnberg (4. Spieltag / 1:2) ist ja schon fast eine Euphorie ausgebrochen. Vielleicht hat man sich blenden lassen.“
€ 6,6 Mio. für Platz 16
Keine Führungsspieler trotz Transferausgaben von € 6,6 Mio. – nur Aufsteiger VfB Stuttgart investierte mehr –und chronische Nachlässigkeiten in der Defensive (47 Gegentore / 4. schlechtester Wert aller Nicht-Absteiger) ließen den Pokalsieger von 1964 nie zur Ruhe kommen.
Der Blick auf die Statistik gegen den von Ex-Nationalspieler Heiko Herrlich betreuten Gegner von Jahn Regensburg ist nur auf den 1. Blick beruhigend. 9 Pflichtspiele bestritten die Löwen bisher gegen den Jahn, zuletzt 2012/2013 in der 2. Liga. Dabei blieb man 7-mal ungeschlagen. Die einzigen Siege der Regensburger über die Großkopferten aus München liegen 46 Jahre zurück: In der damals 2-klassigen Regionalliga Süd gab es 1970/71 2-mal einen 2:1-Erfolg für die Oberpfälzer.
Schöne Statistik – aber die Löwen erwartet aufgrund ihrer angeknacksten Psyche eine ähnliche Nervenschlacht wie 2015 gegen Holstein Kiel (0:0 / 2:1).
