Selten hat ein deutscher Trainer im Ausland die Herzen der Fans so schnell erobert wie Ex-Dortmund-Coach Jürgen Klopp bei seinem Wechsel zum FC Liverpool. Am Samstag macht Klopp mit den Reds beim FC Watford sein 100. Spiel als Verantwortlicher in Liverpool und die Erwartungen an sein Team sind vor dem Saisonstart so groß wie nie zuvor.
Ein ruhiges Jubiläum wird es für Jürgen Klopp am Samstag an der Vicarage Road in Watford nicht werden. Superstar Philippe Coutinho hat am Freitag bei den Liverpooler Verantwortlichen darum ersucht, den Verein verlassen zu dürfen. Der Brasilianer wird mit dem FC Barcelona in Verbindung gebracht. Coutinho ist in Klopps Offensivsystem ein absoluter Schlüsselspieler.
Feiern wird Fußball-Arbeiter Klopp bei seinem 100. Auftritt als Trainer des FC Liverpool wohl nicht mal bei einem Startsieg. Zu anstrengend wirkte das Tauziehen um Coutinho. „Ob 150 oder 550 Mio. €, es beklagt sich doch niemand mehr über die Ablösesummen“, philosophierte Klopp am Freitag in einem Interview mit dem Daily Mail, „die großen Klubs bestimmen, wen sie wann wollen und setzen das Limit.“
Der 50-jährige Coach des FC Liverpool hat an der Merseyside seine eigenen Maßstäbe gesetzt. Mit dem Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino, Sadio Mané vom FC Southampton und Mohamed Salah vom AS Rom holte Klopp 3 der 4 teuersten Spieler der Vereinsgeschichte. Er gab 130 Mio. € für neue Stars aus. Seine Bilanz aus wettbewerbsübergreifend 99 Spielen kann sich sehen lassen: 50 Siege stehen 28 Remis und 21 Pleiten gegenüber. 178 Punkte holten die Reds unter Klopp bislang, das macht einen Schnitt von 1,78 Zählern pro Spiel. Klopps Vorgänger Brendan Rodgers betreute den 18-fachen englischen Fußballmeister 122-mal. Rodgers gewann 63 Spiele. Bei 39 Unentschieden und 42 Pleiten kam der inzwischen bei Celtic Glasgow tätige Nordire auf einen Punkteschnitt von 1,77.
Klopp tut dem Trainergeschäft in England gut
Anders als der keineswegs humorlose Rodgers verblüffte Klopp auf der Insel Fans und Medien auch mit seinem erfrischenden Auftreten in den Presseterminen. Er führte Begriffe wie „Vollgasfußball“ (Full Throttle Football) ins Englische ein und sorgte in der oft hausbacken wirkenden Trainergilde der Premier League für eine ironisch-intelligente Note. „Fußball ist kein Wunschkonzert“, lehrte der Dortmunder Erfolgstrainer die englischen Journalisten – und zu Leistungsschwankungen seiner Mannschaft hatte er eigene Theorien. „Mir ist es lieber, wenn 11 Spieler zusammen Fehler machen, als wenn jeder macht, was er will“, lautete sein Fazit in der Saison-Vorbereitung 2017.
Die Fans verziehen Klopp in Liverpool schon 2 Final-Pleiten
Authentizität, die Klopp schon in Mainz und Dortmund ausgezeichnet hatte, und die auch in England ankommt. Die Bewunderung der Fans für den Deutschen ebbte auch nach Misserfolgen wie dem verpassten internationalen Wettbewerb oder den Final-Pleiten im Liga-Cup und in der Europa League im ersten Jahr nicht ab.
Im Gegenteil. Mit Klopp verknüpfen sich vor der Saison und vor seinem 100. Spiel die Hoffnungen vieler Fans auf den Gewinn der ersten englischen Meisterschaft seit 1990. Dazu kommt die offensiv-couragierte Spielweise. „Geschwindigkeit“, so Klopp in der Pressekonferenz zu seinem Jubiläumsspiel, „ist für jedes Team am schwierigsten zu verteidigen.“
